Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Preißer
Ausgewählter Literaturhinweis:
Noll, Pflichtteile und ihre Abfindung, DStR 2004, 257.
Rz. 466
Häufig wird bei Testamentsgestaltungen vergessen, dass den enterbten Angehörigen (Ehegatte, Abkömmlinge und Eltern) ein (schuldrechtlicher) Pflichtteilsanspruch zusteht, der auf die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils gerichtet ist (s. § 2303 BGB). Nachdem der Erblasser das Pflichtteilsrecht nicht durch letztwillige Verfügung aufheben kann, muss er versuchen, den Pflichtteilsberechtigten zu einem Verzicht auf den Anspruch zu bewegen. Hierfür wird der Berechtigte eine Gegenleistung fordern.
Rz. 467
Für den Fall schließlich, dass der Pflichtteilsanspruch durch eine Sachleistung erfüllt wird, ist es für den Anspruchssteller wegen der geringeren Bewertung regelmäßig vorteilhafter, den Pflichtteilsanspruch nicht in bar geltend zu machen. Umgekehrt erfüllt der Erbe den Pflichtteilsanspruch lieber als Geldleistung, da er hier den Nominalwert (und nicht den geringeren Steuerwert) abziehen kann. Die Entscheidung im Einzelfall hängt von der jeweiligen Erbschaftsteuerbelastung der Beteiligten (Erbe/Pflichtteilsberechtigter) ab. Nachdem im Regelfall eine höhere Erbschaftsteuerbelastung beim Erben unterstellt werden kann, wird die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs mit einer Barzahlung statt einer Sachleistung die – im Gesamtergebnis – vorteilhafte Lösung sein.
Rz. 468
Exkurs: Abzug der Pflichtteilsverbindlichkeit mit dem Nennwert (Diskussion des BFH-Urteils vom 07.10.1998, BStBl II 1999, 23: s. auch ausführlich K/E, § 3 Rn. 303):
Zur Bewertung der geltend gemachten Pflichtteilsverbindlichkeiten hat der BFH im Urteil aus dem Jahr 1998 entschieden, dass die Pflichtteilsschuld auch dann mit dem Nennwert als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen ist, wenn sie durch Übertragung eines Nachlassgrundstücks an Erfüllungs statt erfüllt werden (anders noch BFH vom 17.02.1982, BStBl II 1982, 350 sowie BFH vom 21.06.1989, BStBl II 1989, 731).
Der BFH stellt in seiner neuen Rechtsprechung entscheidend darauf ab, dass es sich bei den Pflichtteilsverbindlichkeiten (s. § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB) um Geld(summen)schulden handelt, die – sobald der Berechtigte seinen Anspruch geltend gemacht hat – mit dem Nennwert anzusetzen sind (s. § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 12 Abs. 1 BewG). Sowohl bürgerlich-rechtlich als auch erbschaftsteuerrechtlich bleibt der Geldanspruch unabhängig davon Erwerbsgegenstand, wie und durch welche Leistung der Anspruch zum Erlöschen gebracht worden ist. Nach der Entstehung des Steueranspruchs zwischen dem Erben und dem Pflichtteilsberechtigten getroffene Erfüllungsabreden können den einmal entstandenen Steueranspruch weder aufheben noch verändern.
Rz. 469
Hinweis: In gleichem Sinne hat der BFH bereits früher zur Bewertung des Geldanspruchs eines Vermächtnisnehmers entschieden. Danach ist Besteuerungsgrundlage der Nennwert der vermachten Geldforderung auch dann, wenn der Vermächtnisanspruch durch die Übertragung von Grundstücken an Erfüllungs statt erfüllt worden ist (BFH vom 25.10.1995, BStBl II 1996, 97).