Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
Rz. 15
Der BFH hatte mit Beschluss vom 22.05.2002 (BStBl II 2002, 598) ein Verfahren bezüglich der Erbschaftsbesteuerung ausgesetzt und dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt. Grund dafür war, dass der BFH die gesetzlichen Regelungen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Erbschaft- und Schenkungsteuer für gleichheitswidrig ausgestaltet hielt. Die Kritik des BFH bezog sich dabei u. a. auf die Begünstigungen für das Betriebsvermögen sowie auf die Entlastungen beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften.
Rz. 16
Das BVerfG hatte nach fast fünf Jahren Beratungszeit am 31.01.2007 seine durch diesen Vorlagebeschluss des BFH erwartete Entscheidung vom 07.11.2006 (BStBl II 2007, 192) bekannt gegeben und die Verfassungswidrigkeit des ErbStG in seiner damaligen Form festgestellt, da die durch § 19 Abs. 1 ErbStG (und nicht etwa die Bewertungsnorm des § 12 ErbStG) angeordnete Erhebung der Erbschaft- und Schenkungsteuer mit einheitlichen Steuersätzen auf den Wert des Erwerbs mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren war. Das Verfahren, nach dem u. a. der Wert von Grundbesitz, Betriebsvermögen sowie nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften ermittelt wird, führte zu willkürlichen Ergebnissen und verstieß damit gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 3 GG.
Rz. 17
Das BVerfG hatte die weitere Anwendbarkeit des bisherigen Erbschaftsteuerrechts bis zu einer Neuregelung ausdrücklich zugelassen. Für die Vergangenheit ergab sich das aus den Erfordernissen einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs für Zeiträume einer weitgehend abgeschlossenen Veranlagung. Die Weiteranwendung bis zur Neuregelung war erforderlich, um für die Übergangszeit einen Zustand der Rechtsunsicherheit, der insbesondere die Regelung der lebzeitigen Vermögensnachfolge während dieser Zeit erschweren könnte, zu vermeiden.
Rz. 18
Der Gesetzgeber wurde zu einer Neuregelung bis spätestens zum 31.12.2008 verpflichtet, wonach die neu zu schaffenden Bewertungsmethoden gewährleisten mussten, dass alle Vermögensgegenstände auf der Bewertungsebene in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden. Auf der Besteuerungsebene durfte er auf den so ermittelten Werten aufbauen und Lenkungszwecke, etwa in Form zielgenauer und normenklarer steuerlicher Verschonungsregelungen, ausgestalten.
Rz. 19
Durch das ErbStRG vom 24.12.2008 (BGBl I 2008, 3028) hatte der Gesetzgeber die Vorgaben des BVerfG umgesetzt. Das Reformgesetz, das grds. zum 01.01.2009 in Kraft trat (s. Art. 6 Abs. 1 ErbStRG), zielte auf eine verfassungskonforme, realitätsgerechte Verkehrswertbewertung aller Vermögensarten ab (Bewertungsebene). Dabei wurde die Bewertung von Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgebenden Bewertungsziel ausgerichtet, und zwar methodisch derart, dass die wirtschaftlichen Einheiten der verschiedenen Vermögensarten in einem zugleich realitätsgerechten und praktikablen Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden.
Rz. 20
Durch die nunmehr am Verkehrswert ausgerichtete Bewertungsebene wurde die erbschaft- und schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage verbreitert. Um die daraus resultierenden Mehrbelastungen weitgehend zu vermeiden, wurden die persönlichen Freibeträge (§ 16 ErbStG) für das engere familiäre Umfeld des Erblassers bzw. Schenkers (Ehegatten – als auch Lebenspartner i. S. d. LPartG –, Kinder, Enkel) deutlich angehoben. Damit wurde sichergestellt, dass insb. in einem Erbfall Vermögen in einem beträchtlichen Umfang gänzlich von der Besteuerung freigestellt wird.
Rz. 21-22
vorläufig frei