Rz. 11
Abgrenzungsfragen und Fragen des Vorrangs zwischen § 7 ErbStG und § 10 ErbStG stellen sich insbesondere deshalb, weil beide Vorschriften eine Bereicherung des Zuwendungsempfängers erfordern, der jeweilige Bereicherungsumfang allerdings unterschiedlich hoch ausfallen kann. Die Frage der Abgrenzung und das Vorrangverhältnis der beiden Vorschriften erschließt sich jedoch aus der Stellung im Gesetz. § 7 ErbStG, der sich im ersten Abschnitt des Erbschaftsteuergesetzes befindet, regelt die Frage, ob überhaupt eine Schenkung und mithin ein steuerpflichtiger Vorgang vorliegt. Das für den Tatbestand einer Schenkung unter Lebenden erforderliche Merkmal der Bereicherung beurteilt sich insoweit nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. So ist zu fragen, ob der Zuwendungsempfänger nach Erhalt der Zuwendung ein größeres Vermögen innehat als zuvor. Für die Beantwortung dieser Frage ist der Verkehrswert des Zuwendungsgegenstandes heranzuziehen, wobei sich Auflagen bereicherungsmindernd auswirken (R E 7.4 Abs. 2 ErbStR). Umgekehrt liegt hingegen auch dann eine eine Schenkung begründende Bereicherung vor, wenn z. B. ein nach § 13 ErbStG steuerbefreiter Gegenstand übertragen wird. Die Frage der Bereicherung bei § 7 ErbStG beantwortet sich daher unter Außerachtlassung steuerrechtlicher Bewertungs- oder Befreiungsvorschriften.
Rz. 12
Dementgegen regelt § 10 ErbStG, der den zweiten Abschnitt des Erbschaftsteuergesetzes eröffnet, die Frage der steuerlichen Bemessungsgrundlage, also mit welchem Wert der Vermögenszuwachs beim Zuwendungsempfänger steuerlich erfasst wird. Hierbei sind die entsprechenden Bewertungsvorschriften des § 12 ErbStG sowie des Bewertungsgesetzes heranzuziehen, ebenso wie sonstige Steuerbefreiungsvorschriften, z. B. §§ 13ff. ErbStG. Je nach Einzelfall können daher die für § 7 ErbStG zu ermittelnde Bereicherung und die für die steuerliche Bemessungsgrundlage des § 10 ErbStG zu ermittelnde Bereicherung voneinander abweichen.
Rz. 13
Aus dem Vorangegangenen ergibt sich auch das logische Vorrangverhältnis von § 7 ErbStG zu § 10 ErbStG. So ist zunächst festzustellen, ob eine Schenkung i. S. d. § 7 ErbStG vorliegt. Hierfür ist erforderlich, dass der Zuwendungsempfänger bereichert ist. Liegt eine Schenkung i. S. d. § 7 ErbStG vor, so ist in einem weiteren Schritt i. R.d. Prüfung des § 10 ErbStG zu ermitteln, inwieweit der Zuwendungsempfänger steuerlich bereichert ist. § 7 ErbStG hat daher stets Vorrang vor § 10 ErbStG (Meincke, § 7 Rn. 5, 6; Schaub in W/J, § 7 Rn. 4; Griesel in D/H/R, § 7 Rn. 1).
Rz. 14–16
vorläufig frei