Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
Rz. 15
Soweit Vermögensübertragungen gestaltet werden können, bietet die unterschiedliche Besteuerung in den einzelnen Steuerklassen eine legale Möglichkeit zur Steuereinsparung, um die höheren Freibeträge oder die geringeren Steuersätze der günstigeren Steuerklasse zu sichern, etwa durch Heirat des Lebensgefährten (von der Steuerklasse III in die Steuerklasse I Nr. 1) oder durch Adoption eines Kindes (von der Steuerklasse III in die Steuerklasse I Nr. 2).
Rz. 16
Eine Steuerersparnis kann sich dann ergeben, wenn auf dem Umweg über zwei oder mehr Zuwendungen die Besteuerung nach einer günstigeren Steuerklasse erfolgt, in der ein höherer Freibetrag und ein niedrigerer Steuersatz gelten (sog. Kettenschenkung; Einzelheiten s. § 7 Rn. 270 ff.).
Eine Zuwendung der Schwiegermutter an den Schwiegersohn ist nach Steuerklasse II zu besteuern. Schenkt die Mutter an die Tochter und diese an ihren Ehemann, gilt für beide Zuwendungen Steuerklasse I.
Rz. 17
Den zwischengeschalteten Erwerbern muss jedoch ein eigener Entscheidungsspielraum verbleiben, zumindest was den Zeitpunkt der Weiterschenkung und den Umfang der Zuwendung angeht. Gibt die Durchgangs- oder Mittelsperson die Zuwendung in Erfüllung einer bestehenden Verpflichtung dagegen in vollem Umfang an einen Dritten weiter, liegt schenkungsteuerlich nur eine Zuwendung aus dem Vermögen des Zuwendenden an den Dritten vor (BFH vom 13.10.1993, BStBl II 1994, 128).
Rz. 18
Auch nach dem Erbfall kann die Höhe der Steuer beeinflusst werden, wenn der Erbe die Erbschaft ausschlägt und diese an Personen fällt, die einer günstigeren Steuerklasse angehören.
Rz. 19
Eine Ausschlagung ist bedingungsfeindlich (§ 1947 BGB). Deshalb darf die Ausschlagung nicht zugunsten einer bestimmten Person erfolgen. Sie ist unwirksam, es sei denn, dass diese Person ohnehin Erbe geworden wäre.
Rz. 20
Schlägt der Ersterwerber sein Erbe aus, kann der Erbanfall beim Ersatzerwerber nicht als Schenkung unter Lebenden gewertet werden (§ 517 BGB). Für den Ersatzerwerber gilt daher dessen Steuerklasse im Verhältnis zum Erblasser. Erbschaftsteuer kann somit regelmäßig gespart werden, wenn der Ersatzerbe einer günstigeren Steuerklasse angehört, so dass er einen höheren Freibetrag und einen niedrigeren Steuersatz in Anspruch nehmen kann. Unabhängig davon können sich Steuervorteile dann ergeben, wenn mehrere Ersatzerben an die Stelle des Ausschlagenden treten, so dass der Freibetrag mehrfach ausgenutzt werden kann und hierdurch die Steuerprogression gemildert wird.
Die Eheleute M und F haben zwei gemeinsame Kinder. Sie haben ein Berliner Testament errichtet, in dem sie die Kinder jeweils als Schlusserben eingesetzt haben. M stirbt an einem Herzinfarkt. F schlägt die Erbschaft aus, so dass ihre beiden Kinder Erben werden. Der Steuerwert des Nachlasses beträgt 700.000 EUR.
Die Steuerersparnis ist natürlich noch größer, wenn die Ersatzerben einer günstigeren Steuerklasse angehören als der zunächst berufene Erbe. Auch eine mehrfache Ausschlagung kann in Einzelfällen vorteilhaft sein.
Rz. 21
vorläufig frei
Rz. 22
Vermögensübertragungen zwischen Geschwistern sind im Vergleich zur Steuerklasse I nach der ungünstigeren Steuerklasse II zu versteuern. Um bei Erbschaften unter Geschwistern Steuern zu sparen, empfiehlt es sich daher, die Steuerklasse II zu vermeiden.
Der verwitwete M hat eine Tochter T und einen Sohn S, die kinderlos sind. Nach dem Tod des M soll das zuerst versterbende Kind von dem überlebenden Kind beerbt werden.
Lösung:
Für den zweiten Erbfall gilt hinsichtlich des Freibetrags und des Steuersatzes die ungünstigere Steuerklasse II.
Durch die Vor- und Nacherbschaft gem. § 6 Abs. 2 ErbStG ist es möglich, alle Geschwister hinsichtlich der Freibeträge und Steuerklasse so zu behandeln, als hätten sie unmittelbar vom Erblasser erworben (Steuerklasse I).
Rz. 23
Zur Vermeidung der aus Vor- und Nacherbschaft gem. § 6 Abs. 2 ErbStG folgenden zweifachen Besteuerung kann stattdessen dem als Vorerben ausgewählten Kind ein Nießbrauchsrecht eingeräumt und das andere Kind nicht als Nacherbe, sondern als Alleinerbe eingesetzt werden (s. auch die Vergleichsberechnungen in § 6 Rn. 79). Es kann auch günstig sein, den Eintritt der Nacherbfolge nicht vom Tod des Vorerben, sondern von anderen Ereignissen abhängig zu machen. Bei der Wahl der günstigsten Gestaltungsmöglichkeit dürfen die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles nicht außer Acht gelassen werden.