Rz. 7
Steuerschuldner ist der Erwerber. Anhand dieser Konzeption wird deutlich, dass im deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht nicht der Nachlass als solcher oder die Schenkung an sich der Besteuerung unterworfen wird, sondern vielmehr der einzelne Erwerb des Vermögens. Steuerschuldner können sowohl natürliche als auch juristische Personen sein. Bei Gesamthandgemeinschaften ist – unabhängig von der zivilrechtlichen Betrachtung – nicht die Gesamthand an sich Inhaber des Vermögens und damit Steuerschuldner, sondern die einzelnen Gesamthänder sind Steuerschuldner. Daher ist hier den einzelnen Gesamthändern ihr jeweiliger Anteil am Erwerb und die entsprechende Steuerschuld zuzurechnen (so z. B. für OHG, KG, GbR und Güter- und Erbengemeinschaften) (s. § 1 Rn. 12 f. sowie BFH vom 14.09.1994, BStBl II 1995, 81; Geck in K/E, § 20 Rn. 9; Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 20 Rn. 9; Richter/Fischer in V/S/W, § 20 Rn. 4; Gebel in T/G/J/G, § 20 Rn. 32). Der Grund ist in der Erbschaftsteuer als Personensteuer zu sehen. Zugleich wird so ermöglicht, dass das Verwandtschaftsverhältnis, welches häufig Anlass für eine Übertragung von Vermögen ist, bei der Übertragung zwischen Zuwendendem und Gesellschaftern Berücksichtigung finden kann. Mit Urteil vom 05.02.2020 (ZEV 2020, 570) hat der BFH diese Auffassung bestätigt, dass es sich bei einer disquotalen Einlage in das Gesellschaftsvermögen einer Gesamthand nicht um eine Bereicherung der Gesamthand, sondern der Gesellschafter als Gesamthänder handelt. Dies gelte auch angesichts der neueren Rspr. des BGH zur Teilrechtsfähigkeit einer (Außen-)GbR. Demnach ist stets zwischen den Zuordnungsobjekten der Gesamthand einerseits und der Gesellschafter (= Gesamthänder) andererseits zu trennen (mit Kritik daran Müller, ZEV 2020, 740 (743)). Kapitalgesellschaften können dagegen unproblematisch Steuerschuldner i. S. d. § 20 ErbStG sein (s. Gebel in T/G/J/G, § 20 Rn. 35). Hier findet keine "Durchgriffsregelung" auf die jeweiligen Anteilsinhaber statt.
Rz. 7a
Zudem ist bei einer Schenkung auch der Schenker Steuerschuldner (s. u. Rn. 10 ff.). Dies kann bei einer Schenkung auf den Todesfall dazu führen, dass der Bevollmächtigte, der die Schenkung für den Erblasser ausführt, damit den Erben zur Vertragspartei macht und somit auch dessen Steuerschuldnerschaft begründen kann, denn zivilrechtlich handelt es sich um eine Schenkung des Erben (vgl. Wedemann, ZEV 2013, 581, 582). Dies könnte für die steuerliche Betrachtung fraglich sein und führt unter der Maßgabe des § 20 ErbStG zu dem Ergebnis, dass auch der Erbe als Rechtsnachfolger des Schenkers (Erblassers) Steuerschuldner ist, während bei einer Konstruktion über beispielsweise ein Vermächtnis diese Haftung nicht bestehen würde (vgl. ebenda). Daher gibt es diverse "Umqualifizierungen" im ErbStG, nach denen bereits der Erwerbsvorgang entweder den Erwerbern von Todes wegen oder als Schenkung zuzurechnen ist. Es finden also Abweichungen von der rein zivilrechtlichen Betrachtung statt. Problematisch kann dies jedoch werden, wenn Zuwendungen aufgrund von postmortalen Vollmachten vorgenommen werden (vgl. Wedemann, ZEV 2013, 581, 583).
2.1 Erwerbe von Todes wegen
Rz. 8
Steuerschuldner bei Erwerben von Todes wegen (s. § 3 Rn. 10 ff. und § 6 Rn 1 ff. zur Vor- und Nacherbschaft) ist der Erwerber. Nach § 3 ErbStG gibt es verschiedene Arten des Erwerbs von Todes wegen. Beim Erwerb durch Erbanfall nach § 1922 BGB ist der Allein- bzw. Miterbe der Erwerber. Beim Vermächtniserwerb ist der Vermächtnisnehmer, beim Erwerb eines Erbersatzanspruches ist der Erbersatzanspruchsberechtigte und beim Erwerb aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches nach §§ 2303ff. BGB ist der Pflichtteilsberechtigte der Erwerber (s. Richter/Fischer in V/S/W, § 20 Rn. 2). Auch ein Auflagenbegünstigter kann Erwerber sein (vgl. Geck in K/E, § 20 Rn. 2). Des Weiteren sind Erwerber:
- beim Erwerb aufgrund gesellschaftsrechtlicher Anwachsung die Mitgesellschafter,
- beim Erwerb eines Geschäftsanteils durch Einziehung die verbleibenden Anteilseigner,
- beim Erwerb durch Zwangsabtretung i. d. R. die Kapitalgesellschaft und
- beim überlebensbedingtem Erwerb aufgrund eines Vertrages zugunsten Dritter die Drittbegünstigten (z. B. Zahlungen aus Lebensversicherungsverträgen) sowie die Empfänger von Abfindungen (Gebel in T/G/J/G, § 20 Rn. 16).
Sind die Erben noch nicht bekannt, wird i. d. R. eine Nachlasspflegschaft nach den §§ 1960 ff. BGB eingerichtet. Da beim Erbschaftsteuerbescheid der Steuerschuldner mithin der/die Erwerber, also die unbekannten Erben, Inhaltsadressat sind, wird dem Nachlasspfleger der Erbschaftsteuerbescheid zugestellt (ggf. Schätzungsbescheid). Dieser Vorgehensweise liegen die Vorstellungen der §§ 31 Abs. 6, 32 Abs. 2 ErbStG zugrunde, wonach der Nachlasspfleger die Erbschaftsteuererklärung zu erstellen und die festgesetzte Steuer zu bezahlen hat (vgl. BFH vom 17.06.2020, NJW 2020, 3806, Rn. 17ff.). Die konkrete Steuerfestsetzung dürfte schwierig sein, weil bei den unbekannten Erben i. d. R. kei...