Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Preißer
Rz. 5
Da man bei § 14 ErbStG von einer streng formal-rechtlichen Beurteilung ausgeht, ist die Personenidentität von Übergeber (Schenker/Erblasser) und Übernehmer (Beschenkter/Erbe) problematisch.
Bei einem wegzugsbedingten Wechsel der subjektiven Steuerpflicht aller beteiligten Personen (von der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht) hat der BFH am 16.02.1977 (BStBl II 1977, 662) entschieden, dass Vorerwerbe (im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht) nur dann mit dem (beschränkt steuerpflichtigen) Letzterwerb verrechnet werden können, wenn es sich bei beiden Erwerbsgegenständen um Inlandsvermögen gehandelt hat.
Bei einer Verallgemeinerung der Grundsätze der BFH-Entscheidung kommt man zu einer Konzentrations- oder Klammerwirkung zwischen den verschiedenen Erwerbstatbeständen nur dann, wenn sie sich auf identische Steuermerkmale bezieht.
Dies betrifft z. B. die Fallgruppe, bei der sich aufgrund einer Steuerbefreiung ein steuerpflichtiger Vorerwerb nicht ergeben hat, und dies die Frage aufwirft, ob dieser steuerbare (aber nicht steuerpflichtige) Vorerwerb in die Berechnung nach § 14 ErbStG einfließt.
Rz. 6
Nach ständiger Rspr. (BFH vom 19.12.1952, BStBl III 1953, 145), der die Literatur folgt, wird zwischen quantitativen und qualitativen Befreiungstatbeständen unterschieden:
- Kommt es aufgrund quantitativer Befreiungen (§§ 13 Abs. 1 Nr. 1, 13a, 16, 17 ErbStG) nicht zur Steuerpflicht des Vorerwerbs, so werden diese Vorerwerbe in die Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG einbezogen (V/S/W, § 14 Rn. 13 f.).
- Kommt es aufgrund qualitativer Befreiungen nicht zur Steuerpflicht des Vorerwerbs (z. B. wegen § 29 ErbStG; s. BFH vom 19.10.1977, BStBl II 1978, 217: eine Rückschenkung lässt nach § 29 ErbStG die ursprüngliche Steuerschuld erlöschen), so findet keine Berücksichtigung nach § 14 ErbStG statt.
2.1.1 Kettenschenkung (und vergleichbare Fälle)
Rz. 7
Bei der häufig praktizierten Kettenschenkung (s. § 7 Rn. 362 ff.; Beispiel: Grundstücksauflassung Vater V → Sohn S → dessen Ehefrau E bei letztlich beabsichtigter Zuwendung (Schwiegervater – Schwiegertochter)) liegt aufgrund der zivilrechtlichen Ordnungsstruktur des ErbStG nur zwischen den unmittelbar an den Übertragungsvorgängen beteiligten Personen (im Beispiel zwischen V und S bzw. zwischen S und E) das von § 14 ErbStG geforderte personelle Band vor. Vorerwerbe im Verhältnis V – E finden bei § 14 ErbStG keine Berücksichtigung.
Hinweis: Die Zwischenschaltung von anderen als den "Zielpersonen" kann dazu führen, dass die Nachteile des § 14 ErbStG vermieden werden. Knobel (in V/K/S, § 14 Rn. 7) weist zu Recht darauf hin, dass diese Option – wie allgemein bei der Kettenschenkung – nur dann greift, wenn die Voraussetzungen des Rechtsinstituts der Kettenschenkung (u. a. eigener Entscheidungsspielraum der Mittelsperson) gegeben ist.
2.1.2 Beide Eltern als Schenker (Übergeber)
Rz. 8
Sind die Eltern Miteigentümer (z. B. eines Gebäudes) zu je 1/2 und schenken sie das Grundstück einem Kind, werden sie bei § 14 ErbStG immer als zwei Steuersubjekte – im Verhältnis zu den beschenkten Kindern – behandelt. Die weitere vom RFH (vom 04.11.1930, RStBl 1930, 818) angenommene Rechtsfolge, dass bei späteren Einzel-Erwerbsvorgängen von den Eltern der vorherige Grundstückserwerb überhaupt nicht in die Berechnung nach § 14 ErbStG einzubeziehen ist (argum: es ist auf das übergebene Vermögen abzustellen), überzeugt u. E. nicht. Vielmehr sind es die jeweils hälftigen Anteile, die hier Berücksichtigung finden müssen, da das Gesetz bei § 14 ErbStG nicht von der Identität des Vermögens ausgeht.
Die identische Rechtsfolge (getrennte Behandlung) gilt für den Fall, dass der Nachlass eines Elternteils zunächst zur Hälfte dem überlebenden Ehegatten und zur anderen Hälfte einem Abkömmling zukommt und dieser innerhalb des Zehnjahreszeitraums den überlebenden Elternteil beerbt. Auch hier kommt keine Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG in Betracht (ähnliche Fallgruppen bei K/E, § 14 Rn. 7 f.). Die dafür "zuständige" Norm ist § 27 ErbStG.
2.1.3 Die Zusammenrechnung in Nacherbschaftsfällen
Rz. 9
Eine ähnliche Konstellation kann sich in Nacherbschaftsfällen ergeben. Nachdem der Nacherbe gem. § 6 Abs. 2 ErbStG steuerlich vom Vorerben erbt, stellt sich für den Fall, dass dieser zusätzlich eigenes Vermögen des Vorerben erhält, die Frage, ob in diesem Fall § 14 ErbStG anwendbar ist. Hierzu gibt es im Schrifttum unterschiedliche Auffassungen, der BFH hat in der Entscheidung vom 02.12.1998 (BStBl II 1999, 235) nur ein Randproblem gestreift.
Aus § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG (Antrag des Nacherben auf Steuerklasse nach dem Erblasser) schlussfolgert die wohl h.A. in der Literatur (Jülicher in T/G/J/G, § 14 Rn. 35 sowie K/E, § 14 Rn. 43), dass bei einem gestellten Antrag auch die Notwendigkeit der Zusammenrechnung des Nacherben-Erwerbs mit Vorerwerben des Erblassers innerhalb des Zehnjahreszeitraumes folge. Die Mindermeinung (Weinmann in M/W, § 14 Rn. 36) belässt es bei Rechtsfolge nach Satz 3 (Steuerklassenprivileg zum Erblasser) und sieht für eine extensive Auslegung keine Notwendigkeit, da sich aus § 6 Abs. 2 Satz 3 ff. ErbStG nicht eine durchgehende Verklammerung des Nac...