Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
Rz. 24
Zur Steuerklasse I Nr. 1 gehört der Erwerb des Ehegatten. Die Anwendung dieser Steuerklasse setzt voraus, dass die Ehe im Zeitpunkt der Steuerentstehung, im Erbfall also im Zeitpunkt des Todes des erstversterbenden Ehegatten und bei Schenkungen im Zeitpunkt der Ausführung, rechtsgültig bestanden hat. Bei Pass-Ausländern, die Steuerinländer sind, gilt bei der Frage der wirksamen Ehe das ausländische Recht. Sie muss zum maßgebenden Stichtag schon geschlossen und darf nicht beendet sein. Ein Getrenntleben der Eheleute ist ohne Bedeutung. Erst dann, wenn eine Ehe durch Gerichtsurteil rechtskräftig für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden wurde, hat sie zum maßgebenden Stichtag nicht mehr bestanden. Geschiedene Ehegatten fallen unter die Steuerklasse II Nr. 7. Dies gilt auch dann, wenn die früheren Eheleute sich nach der Scheidung wieder versöhnen und zusammenleben. Bei nichtigen oder aufgehobenen Ehen gilt die Steuerklasse III. Liegt zum maßgebenden Stichtag noch eine Nichtehe vor, gilt die Steuerklasse III.
Rz. 25
Auch für Verlobte kommt eine Besteuerung nach der Steuerklasse I nicht in Betracht. Für sie gilt die Steuerklasse III, weil der Gesetzgeber bei der Steuerklasseneinteilung das Verlöbnis nicht berücksichtigt hat.
Rz. 26
Die Rspr. des RFH zu lebzeitigen Zuwendungen unter Verlobten (RFH vom 25.04.1940, RStBl 1940, 615) hält – soweit es sich nicht um übliche Gelegenheitsgeschenke handelt und die Ehe alsbald geschlossen wird – eine Vermutung für möglich, dass die Zuwendung unter der aufschiebenden Bedingung der Eheschließung erfolgt ist, erst mit Eintritt der Bedingung (Eheschließung) wirksam wird und somit unter die Steuerklasse I Nr. 1 fällt. Bei einer Erbeinsetzung, die wegen der bevorstehenden Eheschließung erfolgt, kann keine vergleichbare Lösung angeboten werden (BFH vom 23.03.1998, BStBl II 1998, 396; H E 15.1 ErbStH). Auch wird bei Erwerben vom Verlobten die Anwendung der ungünstigeren Steuerklasse nicht als sachliche unbillige Härte angesehen, so dass nur noch die Anwendung einer günstigeren Steuerklasse wegen einer persönlichen Unbilligkeit möglich ist. Dies bleibt allerdings wohl einer Einzelfallprüfung des zuständigen Finanzamts vorbehalten (s. Weinmann in M/W, § 15 Rn. 12).
Rz. 27
Eine analoge Anwendung der Steuerklasse I auf Erwerbe der Partner, die in einer nichtehelichen (ehegleichen) Lebensgemeinschaft leben, ist nicht möglich. Nach Auffassung des Gesetzgebers unterscheiden sich eine formwirksam geschlossene Ehe mit ihren vielfältigen Rechten und Pflichten und eine ehegleiche Lebensgemeinschaft wesentlich voneinander. Diese Auffassung hat das BVerfG bestätigt (BVerfG vom 15.05.1990, BStBl II 1990, 764). Infolgedessen unterfallen Erwerbe der Partner einer ehegleichen Lebensgemeinschaft der Steuerklasse III.
Rz. 28
Für gleichgeschlechtliche Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft i. S. d. LPartG wurde die Gleichstellung mit Ehegatten hinsichtlich der Steuerklasse (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 und 7 ErbStG) erst durch das JStG 2010 vollzogen.
Die Gleichstellung beruhte auf dem Beschluss des BVerfG vom 21.07.2010 (1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07), durch den die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Erbschaftsteuerrecht im Hinblick auf die Steuerklasse (§ 15 Abs. 1 ErbStG), die persönlichen Freibeträge (§ 16 Abs. 1 ErbStG), den besonderen Versorgungsfreibetrag (§ 17 Abs. 1 ErbStG) und den Steuertarif (§ 19 ErbStG) mit dem Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar war. Das Gericht führte in seiner Entscheidung im Wesentlichen aus, die Schlechterstellung der eingetragenen Lebenspartner gegenüber den Ehegatten hinsichtlich des persönlichen Freibetrags sei weder durch eine höhere Leistungsfähigkeit erbender Lebenspartner legitimiert noch dadurch, dass der Gesetzgeber unter Anknüpfung an das Familienprinzip eine möglichst ungeschmälerte Erhaltung kleiner und mittlerer Vermögen in der Generationsfolge erhalten möchte. In ihrer Eignung als Ausgangspunkt der Generationenfolge unterscheide sich die Ehe zwar grds. von der Lebenspartnerschaft, da aus der Beziehung gleichgeschlechtlicher Paare grds. keine gemeinsamen Kinder hervorgehen könnten. Dieser Gesichtspunkt könne aber nicht als Grundlage einer unterschiedlichen Behandlung von Ehegatten und Lebenspartnern i. S. d. LPartG herangezogen werden, da er in der gesetzlichen Regelung nicht hinreichend umgesetzt ist. Denn im Unterschied zu früheren Regelungen mache das geltende Recht die Privilegierung der Ehe bzw. die Höhe des Freibetrags gerade nicht vom Vorhandensein gemeinsamer Kinder abhängig.
Aufgrund der vorgenannten Entscheidung des BVerfG musste der Gesetzgeber bis zum 31.12.2010 eine verfassungsgemäße Neuregelung für die Altfälle ab dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften vom 16.02.2001 (BGBl I 2001, 266) treffen. Nach den Änderungen durch das ErbStRG 2009 hatte er dies erst durch das JStG 2010 umgesetzt.
Seit dem 01.10.2017 kann ei...