Dr. Stefan Königer, Dennis Helwig
Rz. 15
Entscheidet sich der Steuerpflichtige für den Antrag auf Anwendung des Abschmelzungsmodells nach § 13c Abs. 1 Satz 1 ErbStG, reduziert sich der Verschonungsabschlag ab einem Erwerb begünstigten Vermögens von mehr als 26 Mio. EUR um 1 %-Punkt je Überschreitung des Betrags von 26 Mio. EUR um volle 750.000 EUR. Das Abschmelzungsmodell gilt bei beiden Varianten der Verschonung, bei der Regelverschonung wie bei der Optionsverschonung nach § 13a Abs. 10 ErbStG. Sofern der Steuerpflichtige die Regelverschonung in Anspruch nimmt, ist der Verschonungsabschlag entsprechend der Abschmelzungsmethodik ab einem Erwerb begünstigten Vermögens i. H. v. 89,75 Mio. EUR vollständig auf null Prozent abgeschmolzen. Obwohl nach der stufenweisen Abschmelzung der Verschonungsabschlag im Falle der Optionsverschonung erst ab einem Erwerb begünstigten Vermögens von 101 Mio. EUR vollständig abgeschmolzen sein dürfte, ordnet § 13c Abs. 1 Satz 2 ErbStG an, dass bereits ab einem Erwerb begünstigten Vermögens von 90 Mio. EUR ein Verschonungsabschlag nicht mehr gewährt wird. Damit gibt der Gesetzgeber zu erkennen, dass bei einem Vermögensanfall von 89,75 Mio. EUR bzw. 90 Mio. EUR keine Notwendigkeit einer Verschonung durch Gewährung eines Verschonungsabschlags mehr gegeben ist und zwar unabhängig davon, ob lediglich die Regelverschonung zur Anwendung kommt oder die Optionsverschonung beantragt wurde.
Rz. 16
Zwar ist der Tatbestand des § 13c Abs. 1 Satz 1 ErbStG bereits bei einem Erwerb begünstigten Vermögens von mehr als 26 Mio. EUR erfüllt. Eine Abschmelzung des Verschonungsabschlags erfolgt tatsächlich jedoch erst ab einem Erwerb begünstigten Vermögens von mehr als 26.749.999 EUR. Der praktische Anwendungsbereich des § 13c ErbStG erstreckt sich daher auf Erwerbe ab 26,75 Mio. EUR und unter 90 Mio. EUR. Gleichwohl sollte bei einem Erwerb über 26 Mio. EUR und unter 26.749.999 EUR ein Antrag nach § 13c Abs. 1 Satz 1 ErbStG gestellt werden, da ein Unterlassen des Antrags ansonsten zur Steuerpflicht des gesamten begünstigten Vermögens führt. Der Erwerber kann nach Eintritt der materiellen Bestandskraft des Bescheids dann nur noch einen Antrag nach § 28a ErbStG stellen (s. Rn. 12).
Rz. 17
Die Abschmelzung kann – wie folgt – in den Grenzzonen abgebildet werden.
Begünstigtes Vermögen |
Regelverschonung |
Vollverschonung |
26,00 Mio. EUR |
85 % |
100 % |
26,75 Mio. EUR |
84 % |
99 % |
33,50 Mio. EUR |
75 % |
90 % |
89,00 Mio. EUR |
1 % |
16 % |
89,75 Mio. EUR |
0 % |
15 % |
90,00 Mio. EUR |
0 % |
0 % |
Beispiel (für Erwerbe über 26 Mio. EUR):
V überträgt zum 01.01.2019 seinen Anteil an der V-GmbH auf seinen Sohn S. Der gemeine Wert der Anteile beläuft sich auf 40 Mio. EUR. Das schädliche Verwaltungsvermögen (VV) hat einen gemeinen Wert von 7 Mio. EUR. Die Voraussetzungen für die Optionsverschonung sind nicht erfüllt.
Gemeiner Wert der Anteile |
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40.000.000 EUR |
./. schädliches VV |
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7.000.000 EUR |
begünstigtes Betriebsvermögen |
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33.000.000 EUR |
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Abschmelzung des Verschonungsabschlags: |
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Verschonungsabschlag nach § 13a ErbStG |
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85 % |
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./. Abschmelzung |
33.000.000 EUR |
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./. 26.000.000 EUR |
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7.000.000 EUR |
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: 750.000 EUR |
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9,33 % |
9 % |
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Verschonungsabschlag |
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76 % |
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begünstigtes Betriebsvermögen |
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33.000.000 EUR |
./. Verschonungsabschlag (76 %) |
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25.080.000 EUR |
steuerpflichtiger Erwerb (ohne VV) |
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7.920.000 EUR |
Bemessungsgrundlage (inkl. VV) |
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14.920.000 EUR |
nachrichtlich 27 % Steuer (ohne Härteklausel nach § 19 Abs. 3 ErbStG) |
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4.028.400 EUR |
Rz. 18
Es ist offensichtlich, dass bei der Optionsverschonung bei einem begünstigten Vermögenserwerb ab 90 Mio. EUREUR ein eklatanter Tarifsprung erfolgt. Statt 15 % Abschlag kommt es z. B. bei 90 Mio. EUREUR begünstigtem Vermögen zu einer ungemilderten Besteuerung, die immerhin 30 % beträgt (§ 19 Abs. 1 ErbStG). Damit geht eine Steuermehrbelastung von ca. 4,05 Mio. EUR – wohlgemerkt bei Überschreitung der Grenze von 89.999.999 EUR um lediglich 1 EUR – einher (Stalleiken in vO/L, § 13c Rz. 11). Sollte die (mögliche) Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG erfolglos verlaufen, ist dieser Sprung als unverhältnismäßig zu qualifizieren. Unter dem Aspekt der Gleichheit im Belastungserfolg (BVerfG in ständiger Rspr. seit BVerfGE 82, 60) und unter Berücksichtigung der horizontalen Steuergerechtigkeit, hier bezogen auf das Vermögen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998; dort auf die Einkommensgleichheit bezogen), kommt es beim Vergleich eines Erwerbers mit 89,75 Mio. EUREUR (Verschonungsabschlag 15 %) und eines Erwerbers mit 90 Mio. EUREUR (kein Verschonungsabschlag) zu einem verfassungsrechtlich bedenklichen Wertungswiderspruch.
Rz. 19
Eine Abmilderung des Tarifsprungs könnte de lege ferenda durch die analoge Anwendung der Härteklausel gem. § 19 Abs. 3 ErbStG erreicht werden. Damit wäre die rechtsfolgeninkonsistente Regelung des § 13c ErbStG behoben (gegen eine analoge Anwendung des § 19 Abs. 3 ErbStG ausdrücklich Korezkij, DStR 2017, 189). In analoger Anwendung des § 19 Abs. 3 ErbStG bedeutet dies:
- Der Untersc...