2.3.1 Stellung des Nacherben nach Eintritt des Nacherbfalls
Rz. 15
Mit Eintritt des Nacherbfalls hört der Vorerbe auf, Erbe zu sein und die Erbschaft fällt dem Nacherben zu. Der Nacherbe ist zivilrechtlich – anders erbschaftsteuerrechtlich – Erbe und somit Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers. Der Nachlass geht von selbst und unmittelbar auf den Nacherben über (§ 2139 BGB). Der Vorerbe bzw. dessen Erben sind zur Herausgabe des Nachlasses an den Nacherben verpflichtet (§ 2130 BGB). Die Herausgabepflicht bezieht sich jedoch nur auf die Substanz des Nachlasses, nicht auf die vom Vorerben gezogenen Früchte, da diese dem Vorerben gebühren und in sein eigenes Vermögen übergegangen sind. Soweit sich Surrogate im Nachlass befinden, beispielsweise der Erlös aus dem Verkauf eines Nachlassgegenstandes, gehören diese ebenfalls zum Nachlass.
Durch den Eintritt des Nacherbfalls wird der dem Vorerben erteilte Erbschein unrichtig und ist einzuziehen. Auf Antrag wird dem Nacherben ein auf ihn lautender Erbschein ausgestellt. Ebenfalls ist das Grundbuch zu ändern und der Nacherbe anstelle des Vorerben einzutragen. Gleiches gilt für das Handelsregister, wenn zum Nachlass ein Handelsgeschäft oder ein Geschäftsanteil gehört.
2.3.2 Die Stellung des Nacherben vor Eintritt des Nacherbfalls: Das Anwartschaftsrecht
Rz. 16
Mit dem Tode des Erblassers erwirbt der Nacherbe ein Anwartschaftsrecht auf die Erbschaft. Das Anwartschaftsrecht erstreckt sich auf den Nachlass insgesamt, nicht aber auf einzelne Nachlassgegenstände. Es ist deliktisch geschützt, übertragbar, pfändbar, verpfändbar und vererbbar. Die Vererbbarkeit ist allerdings dann ausgeschlossen, wenn die Anordnung der Nacherbschaft noch mit einer weiteren Bedingung versehen ist, beispielsweise dass der Vorerbe eine Ehe eingeht oder der Erblasser einen Ersatzerben für den Fall benannt hat, dass der eigentlich vorgesehene Nacherbe den Erbfall nicht erlebt (s. BGH vom 04.07.1962, BGHZ 37, 319; Weidlich in Grüneberg, § 2108 BGB Rn. 7). Stirbt der Nacherbe vor Eintritt des Nacherbfalls, geht das Anwartschaftsrecht auf seine Erben über, wenn kein Ersatznacherbe bestimmt ist (Weidlich in Grüneberg, § 2100 BGB Rn. 12).
Rz. 17
Bereits ab Eintritt des (Vor-)Erbfalls und der Entstehung des Anwartschaftsrechts kann der Nacherbe die Erbschaft ausschlagen (§ 2142 Abs. 1 BGB). Er muss nicht abwarten, bis der Nacherbfall eintritt, um diesen wieder rückwirkend zu beseitigen. Die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB beginnt aber gleichwohl erst mit dem Eintritt des Nacherbfalls (s. Weidlich in Grüneberg, § 2142 BGB Rn. 1).
Schlägt der Nacherbe aus, so tritt ein eventuell berufener Ersatzerbe an seine Stelle, ansonsten verbleibt die Erbschaft beim Vorerben, dessen Stellung sich sodann in eine unbeschränkte Erbenstellung wandelt (§ 2142 Abs. 2 BGB). Sind mehrere Nacherben berufen, so führt die Ausschlagung eines von ihnen zur Anwachsung bei den verbleibenden Nacherben (§ 2094 BGB).
Rz. 18
I.R.d. Berechnung des Zugewinnausgleichs nach §§ 1372ff. BGB ist das Anwartschaftsrecht samt realem Wertzuwachs gem. § 1374 Abs. 2 BGB dem Anfangsvermögen hinzuzurechnen, sodass sich hieraus im Ergebnis kein Zugewinn ergibt. Dies rechtfertigt sich dadurch, dass bei Eintritt des Nacherbfalls während der Ehe das Nacherbschaftsvermögen auch § 1374 Abs. 2 BGB unterfallen würde. Beim Anwartschaftsrecht kann dies nicht anders sein (BGH vom 09.07.1983, BGHZ 87, 367; s. auch Cziupka in B/R/H/P, § 1374 BGB Rn. 21).
Rz. 19
Die Übertragung des Anwartschaftsrechts bedarf in analoger Anwendung der §§ 2033, 2371, 2385 BGB der notariellen Beurkundung (s. RGH vom 16.12.1920, RGZ 101, 185; RGH vom 13.11.1942, RGZ 170, 163; Weidlich in Grüneberg, § 2100 BGB Rn. 14 m. w. N.). Der Erwerber tritt zwar im Zeitpunkt der Übertragung vollständig in die Rechtsstellung des Nacherben ein und erwirbt es in dem Zustand, in dem es sich beim Nacherben befindet, er ist jedoch kein Erbe des Erblassers. Daher ist der Nacherbenvermerk im Erbschein des Vorerben nicht zu ändern. Tritt der Nacherbfall ein, erwirbt der Erwerber den Nachlass unmittelbar als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers. Ein Durchgangserwerb des Nacherben findet nicht statt. Ob in der Übertragung des Anwartschaftsrechts zugleich eine die spätere Ausschlagung hindernde schlüssige Annahme der Erbschaft zu sehen ist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Im Regelfall wird dies anzunehmen sein. Mit Eintritt des Nacherbfalls haftet der Erwerber des Anwartschaftsrechts für Nachlassverbindlichkeiten (§ 2382 BGB). Hat der Nacherbe sein Anwartschaftsrecht auf den Erwerber rechtsgeschäftlich übertragen und tritt der Nacherbfall nicht ein, weil der Nacherbe vor dem Vorerben verstirbt, so bricht das erworbene Anwartschaftsrecht des Erwerbers in sich zusammen, wenn der Erblasser einen Ersatznacherben bestimmt hatte, da sich dessen "Ersatz"-Anwartschaftsrecht gegenüber der rechtsgeschäftlich erworbenen Anwartschaft durchsetzt (OLG Schleswig vom 01.04.2010, ZEV 2010, 574 mit instruktiven Anm. von Hartmann – auch zu Gestaltungsmöglichkeiten; Weidlich in Grüneberg, § 2100 BGB Rn. 16; Zawar, NJW 2007, 2353).
Rz. 20
Überträgt der Nacherbe sein Anwa...