Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
Rz. 21
Nach § 186 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG erfolgt der Ansatz der üblichen Miete auch dann, wenn der Eigentümer dem Mieter das Grundstück oder den Grundstücksteil zu einer um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlassen hat. Die Gründe, die zu der Abweichung der tatsächlichen Miete von der üblichen Miete um mehr als 20 % nach unten oder oben geführt haben, sind unbeachtlich.
Ein Geschäftsgrundstück (Ertragswertverfahren) wird von Eigentümer E an die Elektro-GmbH für 20 EUR/m2 Nutzfläche netto vermietet (übliche Miete = 14 EUR/m2). E ist Alleingesellschafter der Elektro-GmbH. Aufgrund der personellen und sachlichen Verflechtung liegt eine Betriebsaufspaltung vor. Am 15.01.2020 stirbt E.
Lösung:
Bei einer Betriebsaufspaltung ist vorbehaltlich des § 186 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG von der zwischen dem Besitzunternehmen und dem Betriebsunternehmen vertraglich vereinbarten Miete auszugehen. Da im vorliegenden Beispiel die zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen vereinbarte Miete um mehr als 20 % von der üblichen Miete nach oben abweicht, ist die übliche Miete i. H. v. 14 EUR/m2 nach § 186 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG zum Bewertungsstichtag anzusetzen.
Rz. 22
In seinem Urteil vom 05.12.2019 (BStBl II 2020, 741) musste sich der BFH mit dem Ansatz der üblichen statt der vereinbarten Miete im Rahmen der Grundbesitzbewertung auseinandersetzen. Nach seinem Verständnis entspricht der für die Bewertung im Ertragswertverfahren maßgebliche Rohertrag eines bebauten Grundstücks grds. dem tatsächlichen Entgelt, das für die Benutzung nach den vertraglichen Vereinbarungen als Miete zu zahlen sei. Weiterhin konstatiert er, dass eine vertraglich vereinbarte tatsächliche Miete nicht mehr als üblich angesehen werden könne, wenn sie mehr als 20 % niedriger ist als der unterste Wert der Spanne des verwendeten Mietspiegels oder wenn sie mehr als 20 % höher ist als der oberste Wert der Spanne. Auf den Mittelwert komme es insoweit nicht an.
Begründung: Eine tatsächliche Miete, die mehr als 20 % niedriger ist als der untere Wert der Spanne bzw. die mehr als 20 % höher ist als der obere Wert der Spanne, ist nicht mehr ortsüblich. Alle Mietwerte innerhalb der Spannbreite eines Mietspiegels sind als üblich anzusehen. Erst die Überschreitung bzw. Unterschreitung der jeweiligen Grenzwerte führt zur Unüblichkeit. Das entspricht bereits dem allgemeinen Sprachgebrauch, der als "üblich" dasjenige zu bezeichnen pflegt, das sich "im Rahmen des Üblichen", also innerhalb einer gewissen Spanne, bewegt. Es entspricht auch dem Zweck des § 186 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG. Sie will unzutreffende Bewertungsergebnisse vermeiden, die sich bei einer ausschließlichen Abhängigkeit des Grundbesitzwerts von einer zufällig oder gezielt vereinbarten tatsächlichen Miete ergäben. Nach all dem kann nicht auf den Mittelwert abgestellt werden. Denn das könnte zu dem dann denkbaren, aber sinnwidrigen Ergebnis führen, dass ein Mietpreis, der noch innerhalb der Spannbreite des Mietspiegels liegt, wegen einer die 20 %-Grenze überschreitenden Abweichung vom Mittelwert zu einer Verwerfung der vereinbarten Miete führt. Diese Wertung wird dadurch bestätigt, dass im Steuerrecht auch anderen Orts als übliche Miete jede Miete verstanden wird, die sich innerhalb der in einem Mietspiegel ausgewiesenen Spanne zwischen mehreren Mietwerten bewegt.
Fazit: Das BFH-Urteil bringt u. E. Klarheit für die Praxis. Es bestätigt die Auffassung der FinVerw. Sie ist ebenfalls der Meinung, dass für die Überprüfung der Ortsüblichkeit von tatsächlich erzielten Mieten auf den jeweils unteren Wert oder den jeweils oberen Wert der Spanne abzustellen ist (H B 186.5 "Mietspiegel" ErbStH). D.h., eine Miete, die mehr als 20 % niedriger ist als der untere Wert der Spanne bzw. die mehr als 20 % höher ist als der obere Wert der Spanne, ist nicht mehr ortsüblich. In diesen Fällen kann grds. der im Mietspiegel ausgewiesene gewichtete Mittelwert angesetzt werden. Auch wenn der BFH diese Frage nicht beantworten musste, bestätigt aber die Urteilsbegründung die Ansicht der FinVerw.
Rz. 23–24
vorläufig frei