Dipl.-Kffr. Christina Vosseler, Francoise Dammertz
Rz. 49
Definiert ist die Betriebsstätte sowohl im nationalen Steuerrecht (s. § 12 AO) als auch in den DBA (s. Art. 5 OECD-MA 2017). Wegen der vorrangigen Geltung der DBA gegenüber nationalem Recht sind die Begriffsbestimmungen des jeweiligen DBA zu beachten. Inhaltlich stimmt der abkommensrechtliche Betriebsstättenbegriff mit dem des § 12 AO allerdings weitgehend überein. National und auch international ist für die Annahme einer Betriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung Voraussetzung. Sie liegt vor, wenn sie örtlich fixiert und auf eine gewisse Dauer (länger als sechs Monate) angelegt ist. Für die Annahme einer Betriebsstätte gem. OECD-MA genügt es (unter bestimmten Voraussetzungen), wenn eine Person in einem Vertragsstaat für ein Unternehmen tätig ist (s. Artikel 5 Abs. 5 OECD-MA 2017). An den folgenden vier Punkten lassen sich die Unterschiede in den Definitionen laut OECD-MA und § 12 AO verdeutlichen:
Betriebsstätte gem. § 12 AO |
Betriebsstätte gem. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA |
1. Die feste Geschäftseinrichtung muss der Tätigkeit des Unternehmens lediglich dienen. |
1. Die Tätigkeit des Unternehmens muss durch die feste Geschäftseinrichtung ausgeübt werden. |
2. Bauausführungen und Montagen begründen nach § 12 Nr. 8 AO nur dann eine Betriebsstätte, wenn sie länger als sechs Monate dauern. |
2. Eine Bauausführung oder Montage ist nur dann eine Betriebsstätte, wenn sie die Dauer von zwölf Monaten überschreitet. |
3. Gem. § 12 Nr. 5 und 6 AO gelten Warenlager und Einkaufsstellen nach nationalem Recht als Betriebsstätte. |
3. Geschäftseinrichtungen unterstützender und vorbereitender Art, wie z. B. Warenlager/Einkaufsstellen, gelten wegen ihres bloßen Hilfscharakters nicht als Betriebsstätte (Art. 5 Abs. 4 OECD-MA). |
4. § 13 AO definiert lediglich den Begriff des ständigen Vertreters. |
4. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA qualifiziert den ständigen Vertreter als Betriebsstätte. |
Rz. 50
Aus der Aufzählung dieser vier Punkte lässt sich unschwer erkennen, dass der Betriebsstättenbegriff nach den DBA enger definiert ist. Ist somit nach den DBA von einer Betriebsstätte auszugehen, liegt sie stets auch nach nationalen Bestimmungen der AO vor. Sowohl in den DBA als auch in § 12 AO ist die Betriebsstätte als unselbständiger Teil des Gesamtunternehmens umschrieben. In ihrem Betriebsstättenbericht vom 17.07.2008 (Authorized OECD Approach, kurz AOA) hat sich die OECD auf die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte festgelegt mit der weiteren Folge der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes bei Transaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte. Bereits im JStG 2013 (AmtshilfeRLUmsG) und fortgeführt im JStG 2014 hat der Gesetzgeber die nationale, gesetzliche Grundlage für die Umsetzung des OECD-Berichtes geschaffen.
Rz. 51
Nach deutschem Rechtsverständnis sind Personengesellschaften (steuer-)transparente Gebilde, weil die Einkünfte der Gesellschaft den Gesellschaftern als Mitunternehmer zugeordnet werden. Steuersubjekte sind danach die Gesellschafter. Beteiligt sich ein Inländer an einer ausländischen Personengesellschaft, wird diese Beteiligung nach deutschem Rechtsverständnis grundsätzlich als Unternehmen dieser Person i. S. d. Art. 7 OECD-MA behandelt. Da die Personengesellschaft im Ausland für ihre Geschäftstätigkeit i. d. R. eine feste Einrichtung unterhält, führt dies dazu, dass der Inländer als Mitunternehmer eine (anteilige) Betriebsstätte im Ausland begründet (s. BFH vom 27.02.1991, BStBl II 1991, 444). Durch die Mitunternehmerschaft wird sozusagen eine ausländische Betriebsstätte vermittelt, unabhängig davon, ob der inländische Gesellschafter im Inland ein gewerbliches Unternehmen betreibt oder nicht.
Rz. 52
Hieraus ergibt sich zwangsläufig für die erbschaftsteuerliche Behandlung die Auslegungsfrage, ob das EU-/EWR-Vermögen eine steuerfunktionelle Einheit (Betrieb/Teilbetrieb/Mitunternehmeranteil = enge Auslegung) wie beim inländischen Betriebsvermögen (s. § 13b Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt. ErbStG) sein muss; eine weite Auslegung schließlich lässt jedwedes Betriebsvermögen, also auch Einzelwirtschaftsgüter, genügen, wenn sie nur einer EU-/EWR-Betriebsstätte dienen. Besonders problematisch wird diese Frage bei Beteiligungen an Personengesellschaften. Aus systematischen Gründen (einheitliche Auslegung der in- wie ausländischen Fallgruppe) und wegen der grammatikalischen Auslegung (entsprechendes Betriebsvermögen) ist zunächst der engen Auslegung der Vorrang zu geben. Damit ist der DBA-Verständigungsfall vorprogrammiert, da sicher die Mitgliedstaaten diesen Sachverhalt ihrer Besteuerung unterwerfen.
Rz. 53
Bei einer gebotenen teleologischen Reduktion ist das Tatbestandsmerkmal "entsprechendes Betriebsvermögen" einengend auszulegen und setzt nur voraus, dass überhaupt eine steuerfunktionelle Übertragungseinheit vorliegt. Dabei spielt es dann keine Rolle, ob das inländische Stammhaus (Betrieb) seine EU-/EWR-Betriebsstätten mit einer weiteren steuerfunktionellen Einheit (z. B. mit einem Teilbetrieb) oder mit Einzel-WG ausstattet. In beiden Fällen...