Ausgewählte Literaturhinweise:
Bisle, Treuhandverhältnisse im Erbschaftsteuerrecht, NWB-EV 2019, 130; Höne, Der Treuhanderlass, NWB-EV 2010, 428;
Richter/Fürwentsches, Unentgeltliche Übertragung von Kommanditanteilen, DStR 2010, 2070; Stein/Lupberger, Bitcoins in der Erbschaftsteuer – Gibt es am Ende eine Bitcoin-GmbH?, DStR 2019, 311; Wälzholz, Die neuen Treuhanderlasse vom 16.2.2007 und 30.3.2007: Die fiskalische Auslegung contra legem geht weiter, ZEV 2007, 369.
2.4.1.1 Unverzinsliche und niedrigverzinsliche Darlehen als Nutzungsüberlassung
Rz. 79
Die Hingabe eines Darlehens stellt keine freigebige Zuwendung dar. Dies ist dann anders, wenn es sich um ein unverzinsliches Darlehen handelt. Zuwendungsgegenstand ist dann nach Ansicht des BFH die unentgeltliche Nutzungsmöglichkeit des Kapitals (BFH vom 12.07.1979, BStBl II 1979, 631; vom 29.06.2005, BStBl II 2005, 800; vom 10.01.2010, BFH/NV 2010, 901; vom 27.10.2010, BStBl II 2011, 134 vom 27.11.2013, ZEV 2014, 267; vom 04.03.2015, BFH/NV 2015, 993; vom 22.08.2018, DStR 2019, 45; s. auch FG München vom 24.01.2007, EFG 2007, 782 sowie vom 25.02.2016, DStRE 2017, 861). Zwar liegt in dem Verzicht auf die Nutzungsmöglichkeit keine Zuwendung aus der Vermögenssubstanz des Zuwendenden, dies ist jedoch auch nicht erforderlich, da nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG die Bereicherung lediglich "auf Kosten des Zuwendenden" erfolgen muss. Gleichfalls spricht es nach Ansicht des BFH nicht gegen die "Nutzungsmöglichkeit des überlassenen Kapitals" als Zuwendungsgegenstand, dass nach § 498 Abs. 1 Satz 2 BGB Zinsen nur geschuldet werden, wenn sie vereinbart sind. Der Ansicht der Literatur, wonach der Zuwendungsgegenstand im Teil des zugewendeten Kapitals besteht, der wegen der ausbleibenden Verzinsung nicht durch die abgezinste Rückzahlungspflicht ausgeglichen wird, und die auf der zivilrechtlichen Überlegung aufbaut, dass der Darlehensnehmer Eigentümer des Kapitals wird und die Nutzungsmöglichkeit somit schon aus seiner Eigentümerposition folgt (s. Hannes/Holtz in M/H/H, § 7 Rn. 50; Schuck in V/S/W, § 7 Rn. 10; Gebel in T/G/J/G, § 7 Rn. 30 f.), ist der BFH in seinen o. g. Urteilen nicht gefolgt.
Rz. 80
Die Zweifelhaftigkeit des BFH-Ansatzes zeigt sich darin, dass bei einem Verzicht auf das zinslos gewährte Darlehen eine zweite Zuwendung vorliegt, die unter Berücksichtigung der Zinszuwendung höher ausfallen kann, als wenn der Zuwendende den Kapitalbetrag bereits ursprünglich geschenkt hätte. Aus diesem Grund hat der BFH im Urteil vom 12.07.1979 (BStBl II 1979, 740) die Schenkungsteuer kurzzeitig auch auf den Betrag begrenzt, der sich bei ursprünglicher Schenkung (statt zinsloser Hingabe des Darlehens) ergeben hätte. Diesen Standpunkt hat er allerdings mit Urteil vom 07.10.1998 (BStBl II 1999, 25) und vom 21.05.2001 (BFH/NV 2001, 1407) wieder aufgegeben und geht jetzt von zwei (betragsmäßig nicht begrenzten) Zuwendungen aus.
Rz. 81
Bei niedrigverzinslichen Darlehen besteht der Zuwendungsgegenstand in der Differenz zwischen dem in § 15 Abs. 1 BewG gesetzlich vorgegebenen Zinssatz von 5,5 % und dem tatsächlich geschuldeten Zinssatz (BFH vom 15.03.2001, BFH/NV 2001, 1122). Der im Gesetz vorgesehene Zinssatz von 5,5 % stellt jedoch eine feste, von Marktentwicklungen unabhängige Größe dar, so dass der marktübliche Zinssatz unter den gesetzlichen Zinssatz von 5,5 % sinken kann und tatsächlich bereits seit Jahren unter diesem Wert liegt. Daher besteht für den Steuerpflichtigen in derartigen Fällen die Möglichkeit nachzuweisen, dass der marktübliche Zinssatz für eine gleichartige Kapitalanlage unter dem gesetzlich festgelegten Zinssatz von 5,5 % liegt (s. BFH vom 27.11.2013, BFH/NV 2014, 537). Gelingt dieser Nachweis, so besteht der Zuwendungsgegenstand in der Differenz zwischen dem marktüblichen Zins und dem tatsächlich geschuldeten Zins. Dem hat sich auch die Finanzverwaltung angeschlossen (FinMin Schleswig-Holstein vom 28.02.2018, DB 2018, 606 sowie LfSt Bayern vom 21.03.2018, ZEV 2018, 304).
Rz. 82
Weicht der tatsächliche Zins nur unwesentlich nach unten vom marktüblichen Zinssatz ab, liegt keine freigebige Zuwendung vor (Weinmann in M/W, § 7 Rn. 16 sowie LfSt Bayern vom 21.03.2018, ZEV 2018, 304). Fraglich ist allerdings, was unter einer unwesentlichen Abweichung (nach unten) zu verstehen ist. Gebel (in T/G/J/G, § 7 Rn. 32); Griesel (in D/H/R, § 7 Rn. 13) und Schuck (in V/S/W, § 7 Rn. 10) wollen in Anlehnung an die gleichlautenden Ländererlasse vom 10.10.2010 (BStBl I 2010, 810, Tz. II 1.2.2.), wonach eine vom Nennwert abweichende Bewertung einer Kapitalforderung erst bei einer Verzinsung unter 3 % erfolgen soll, die Wesentlichkeit erst bei unter 3 % beginnen lassen (a. A. Weinmann in M/W, § 7 Rn. 16). Dies scheint ein vertretbarer Wert zu sein, der in der Praxis zu eindeutigen Ergebnissen führt und den aktuellen Marktverhältnissen in gewissem Umfang Rechnung trägt. A.A. ist allerdings der BFH, der im Urteil vom 27.10.2010 (BStBl II 2011, 134) unbeachtet des marktüblichen Zinssatzes am Regelzinssatz von 5,5 % festhält, wenn kein Nachweis eines niedrigeren Zi...