Rz. 251

Die Vermögensmehrung (Bereicherung) stellt im gewissen Sinne ein Spiegelbild zur Entreicherung dar. Zwar muss keine wertmäßige oder gegenständliche Identität gegeben sein, erforderlich ist allerdings, dass ebenso, wie es beim Zuwendenden zu einem Vermögensabfluss kommt, beim Bedachten eine Vermögensmehrung entsteht, die – im Regelfall – im Zugang des zugewendeten Gegenstandes im Vermögen des Bedachten besteht. Die Bereicherung muss nicht unbedingt in einem Zugang aktiver Vermögenswerte bestehen. Vielmehr kann sie auch im Wegfall negativer Vermögensgegenstände zu sehen sein, da hierdurch der Gesamtvermögensbestand des Bedachten positiv verändert wird. Der Zuwendungsgegenstand muss daher einen messbaren Wert haben, der im Ergebnis den Gesamtvermögenswert des Bedachten erhöht. Fehlt es hieran, so liegt keine Bereicherung des Bedachten vor und eine freigebige Zuwendung scheidet aus (BFH vom 30.01.2013, BStBl II 2018, 656; vom 22.10.2014, BStBl II 2015, 239).

 

Rz. 252

Inwieweit eine Bereicherung gegeben ist, ist nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen zu ermitteln und richtet sich daher nach dem Verkehrswert bzw. gemeinen Wert (BFH vom 25.09.1953, BStBl III 1953, 308). Der sich aus § 12 ErbStG i. V. m. dem BewG ergebende Steuerwert – sofern er vom zivilrechtlichen Wert abweicht – ist erst i. R.d. steuerlichen Bereicherung nach § 10 ErbStG heranzuziehen (RE 7.1 Abs. 2 und 4 ErbStR, vgl. auch Rn. 11).

 

Rz. 253

Die Bereicherung im Falle einer Vermögensmehrung des Bedachten durch Zuführung eines aktiven Vermögenswertes ist unmittelbar einsichtig. Auch beim Wegfall negativer Vermögensgegenstände, z. B. beim Erlass einer Verbindlichkeit, ist die Bereicherung erkennbar. Weniger eindeutig ist dies allerdings bei unentgeltlichen Nutzungsüberlassungen (z. B. zinsloses Darlehen). Aber auch hier ist eine Bereicherung des Bedachten anzunehmen. Dieser ist nach Ansicht des BFH bei einem zinslosen Darlehen um die unentgeltliche Nutzungsmöglichkeit des Kapitals bereichert (BFH vom 29.06.2005, BStBl II 2005, 800; vom 04.03.2015, BFH/NV 2015, 993). Nach Literaturansicht besteht die Bereicherung im Teil des zugewendeten Kapitals, das wegen der ausbleibenden Verzinsung nicht durch die abgezinste Rückzahlungspflicht ausgeglichen wird (Einzelheiten hierzu s. Rn. 79 ff. sowie Hannes/Holtz in M/H/H, § 7 Rn. 50).

 

Rz. 254

Verzichtet ein Gläubiger zwecks Sanierung eines notleidenden Unternehmens gegen Besserungsabrede auf seine Forderung, so liegt darin eine Bereicherung des begünstigten Unternehmens. Die Besserungsabrede, also der Vorbehalt, die Forderung geltend zu machen, wenn es die finanzielle Lage des Unternehmens wieder erlaubt, steht der Annahme einer Bereicherung nicht entgegen (an der Entreicherung des Gläubigers fehlt es allerdings, s. Rn. 242). Zwar muss die Bereicherung endgültig sein (BFH vom 12.07.2000, BStBl II 2000, 596), eine Nachzahlungsverpflichtung, die an das Vorliegen besserer Vermögensverhältnisse des Schuldners anknüpft, ist allerdings zivilrechtlich als eine auflösende Bedingung i. S. d. § 158 Abs. 2 BGB zu werten, mit der Folge, dass die bedingt erlassene Forderung zunächst erlischt. Der begünstigte Schuldner ist daher um den Wert der Forderung bereichert, selbst dann, wenn die Forderung gem. § 159 BGB im Fall des Bedingungseintritts rückwirkend wieder auflebt. In Betracht kann jedoch eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG kommen (s. FG Rheinland-Pfalz vom 15.09.2005, EFG 2005, 1890 m. w. N. sowie § 13 Rn. 146 ff.). Von der Besserungsabrede ist der Rangrücktritt des Schuldners hinter die Forderungen anderer Gläubiger zu unterscheiden. Bei einem Rangrücktritt bleibt die Forderung des Gläubigers weiterhin bestehen, er erklärt sich lediglich dazu bereit, diese erst nach Befriedigung anderer Gläubiger geltend zu machen. Der Forderungsrücktritt stellt daher keine Bereicherung des Schuldners dar. Eine freigebige Zuwendung scheidet aus. Gleiches gilt bei einem Stillhalteabkommen. Auch bei diesem bleibt die Forderung des Gläubigers bestehen, er erklärt sich lediglich dazu bereit, die Forderung nicht sofort geltend zu machen. Eventuell kommt hier allerdings eine Bereicherung des Schuldners hinsichtlich nicht geltend gemachter Zinsen in Betracht, wenn das Stillhalteabkommen zinslos zugesagt wurde (ebenso Griesel in D/H/R, § 7 Rn. 15). Dies hängt jedoch von den Umständen des Einzelfalles ab (hierzu auch s. Rn. 79 ff.).

 

Rz. 255

Auch der Verzicht auf ein bestehendes Nutzungsrecht, z. B. ein Nießbrauchsrecht, bereichert den Bedachten. Hat sich daher der Zuwendende am Zuwendungsgegenstand den Nießbrauch vorbehalten und verzichtet er später hierauf, so liegt im Verzicht eine freigebige Zuwendung (BFH vom 20.05.2014, BStBl II 2014, 896; Niedersächsisches FG vom 07.04.2009, ErbStB 2010, 6 zum Verzicht auf ein Wohnrecht), und zwar selbst dann, wenn der Wert des Nießbrauchs bei der ursprünglichen Zuwendung wegen § 25 ErbStG a. F. nicht berücksichtigungsfähig war (BFH vom 17.03.2004, BStBl II 2004, 429; FR 2004, 603 mit...

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