Rz. 386
Ebenso wie bei reinen freigebigen Zuwendungen ist für die Besteuerung gemischt-freigebiger Zuwendungen der Wille des Zuwendenden zur Unentgeltlichkeit erforderlich (s. Rn. 448 ff.). Dies stößt in der Praxis bei gemischt-freigebigen Zuwendungen jedoch auf erheblich größere Schwierigkeiten als bei reinen freigebigen Zuwendungen, da sich die Feststellung und subjektive Erfassung des Verkehrswertes sowohl der Zuwendung als auch der Gegenleistung als schwierig erweisen kann.
Rz. 387
Nach der Rechtsprechung des BFH kann der Wille zur Unentgeltlichkeit anhand objektiver Anhaltspunkte festgestellt werden, wobei dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit des Gegenbeweises verbleibt (Urteile vom 10.09.1986, BStBl II 1987, 80; vom 05.12.1990, BStBl II 1991, 181). Der BFH verlangt bei gemischt-freigebigen Zuwendungen ein auffälliges Missverhältnis des Wertes von Leistung und Gegenleistung (BFH vom 10.09.1986, BStBl II 1987, 80; vom 01.07.1992, BStBl II 1992, 921), um anhand der äußeren Umstände auf den Willen zur Unentgeltlichkeit schließen zu können. Dies gibt allerdings für die Praxis nur einen groben Anhaltspunkt, da ein "auffallendes Missverhältnis" wenig konkret ist. Nach den Urteilen des FG Münster vom 18.09.1997 (EFG 1998, 673) und des Hessischen FG vom 20.11.2017, DStRE 2019, 204, soll ein Angemessenheitsspielraum von 20–25 % bestehen (ebenso Geck in K/E, § 7 Rn. 51.1; Esskandari in vO/L, § 7 Rn. 52). Dieser Einschätzung hat sich der BFH (vom 05.07.2018, BStBl II 2018, 660) nunmehr auch angeschlossen. Erst bei Überschreiten dieser Grenze sollte ein auffallendes Missverhältnis vorliegen.
Rz. 388
Liegt ein auffallendes Missverhältnis zwischen Leistungen und Gegenleistungen vor, so trifft den Steuerpflichtigen die Feststellungslast, dass er sich der Unentgeltlichkeit hinsichtlich des Wertunterschiedes nicht bewusst war (BFH vom 24.08.2006, BFH/NV 2006, 2264; vom 27.08.2014, BStBl II 2015, 241 unter II 5e; FG Düsseldorf vom 06.01.2003, EFG 2003, 1635; H E 7.1 ErbStH). Hierfür ist erforderlich, dass der Steuerpflichtige substantiiert vorträgt, weshalb ihm die teilweise Unentgeltlichkeit nicht bekannt (bzw. bewusst) war. Ein bloßes allgemeines Bestreiten ist nicht ausreichend.
Rz. 389
Die verschiedenen Fallgestaltungen werden an dem nachfolgenden Beispiel aufgezeigt.
A verkauft seinem Bekannten B ein Grundstück zum Freundschaftspreis von 200.000 EUR. A und B gehen dabei von einem Verkehrswert von 400.000 EUR aus, den sie aus Vergleichsverkäufen anderer Grundstücke in derselben Gemeinde ableiten. Kurze Zeit später stellt sich heraus, dass auf dem Grundstück früher eine Müllkippe betrieben wurde und daher der Grund und Boden kontaminiert ist (was A und B nicht wussten). Nach Einholung eines Verkehrswertgutachtens ergibt sich für das Grundstück ein Verkehrswert von:
a) 150.000 EUR
b) 200.000 EUR
c) 210.000 EUR
d) 400.000 EUR
e) 450.000 EUR
Lösung:
In Variante a) liegt eine objektive Bereicherung des A vor, da B für das Grundstück, das einen Verkehrswert von 150.000 EUR hat, 200.000 EUR bezahlte. Da es allerdings bei B am Willen zur Unentgeltlichkeit fehlte, liegt keine freigebige Zuwendung des B an den A vor.
In Variante b) entsprechen sich der Wert des Grundstücks und der Gegenleistung. Es liegt keine objektive Bereicherung vor. Unbeachtlich des Willens des A zur teilweisen Unentgeltlichkeit ist keine freigebige Zuwendung gegeben.
In Variante c) hat A den B i. H. v. 10.000 EUR bereichert. Es liegt allerdings kein auffallend grobes Missverhältnis vor, da die Wertabweichung lediglich 5 % ausmacht. Eine Besteuerung kommt nur in Betracht, wenn der Finanzbehörde der Nachweis gelingt, dass A mit dem Willen zur Unentgeltlichkeit handelte.
In Variante d) entspricht die objektive Bereicherung des B i. H. v. 200.000 EUR den Vorstellungen der Parteien. Es liegt daher eine gemischt-freigebige Zuwendung i. H. v. 200.000 EUR vor.
In Variante e) ist eine objektive Bereicherung des B i. H. v. 250.000 EUR gegeben. Diese korreliert jedoch nur mit dem Willen des A zur Unentgeltlichkeit i. H. v. 200.000 EUR. Sofern A seine Wertvorstellungen gegenüber der Finanzbehörde darstellen kann, wobei hierbei auf die zwischen den Parteien herangezogenen Vergleichsverkäufe hinzuweisen ist, liegt nur eine gemischt-freigebige Zuwendung i. H. v. 200.000 EUR vor. Ob der Nachweis der Wertvorstellungen des A gelingen wird, hängt allerdings von den Umständen des Einzelfalls ab.
Rz. 390
vorläufig frei