Rz. 451
Was im Einzelnen unter dem Willen zur Freigebigkeit zu verstehen ist, ist in der Vergangenheit unter verschiedensten Begriffen (Bereicherungswille, Wille zur Unentgeltlichkeit, Wille zur Freigebigkeit, Bewusstsein der Unentgeltlichkeit) diskutiert worden. Nach der objektivierenden Theorie von Schulze-Osterloh (StuW 1977, 122) soll der subjektive Tatbestand einer freigebigen Zuwendung bereits erfüllt sein, wenn Kenntnis des Zuwendenden über die Tatsachen besteht, aus denen sich die objektive Un- oder Teilentgeltlichkeit der Zuwendung ergibt. Der subjektive Zuwendungstatbestand wird demnach auf ein bloßes Wissenselement reduziert.
Rz. 452
Nach Klein-Blenkers (a. a. O.) und Petzoldt (in FS für Günther Felix, Köln 1989, 331) ist der Oberbegriff des Willens zur Freigebigkeit in drei Elemente unterteilt:
- den Willen zur Bereicherung,
- den Willen zur Unentgeltlichkeit und
- den Willen zur schenkweisen Zuwendung.
Rz. 453
Der Wille zur Bereicherung soll vorliegen, wenn der Zuwendende den Bedachten durch die Zuwendung wirtschaftlicher Vorteile begünstigen will. Der Wille zur Unentgeltlichkeit als zweites Willenselement umfasst das Bewusstsein und den Willen des Zuwendenden, die Zuwendung unentgeltlich, also nicht um einer Gegenleistung willen oder in Erfüllung einer Rechtspflicht vorzunehmen. Als drittes Element soll für den Willen zur Freigebigkeit der Wille einer schenkweisen Zuwendung erforderlich sein, der dann vorliegt, wenn die Zuwendung um der Bereicherung des Empfängers willen geschieht und nicht zur Regelung arbeitsrechtlicher, familienrechtlicher oder gesellschaftsrechtlicher Beziehungen. Durch das dritte Element, den Willen zur schenkweisen Zuwendung, wird ermöglicht, dass auch Motivationen und Zielsetzungen der Zuwendungsbeteiligten in den subjektiven Tatbestand mit einbezogen werden können.
Rz. 454
Zwischen diesen beiden in der Theorie vorhandenen Extrempolen hat sich der BFH eingependelt. Mit Urteil vom 02.03.1994 (BStBl II 1994, 366), in dem er über die Steuerpflicht ehebedingter unbenannter Zuwendungen zu entscheiden hatte, hat er detailliert zum subjektiven Tatbestand freigebiger Zuwendungen Stellung genommen und Klein-Blenkers und Petzoldt eine Absage erteilt. Danach reicht dem BFH der (einseitige) Wille des Zuwendenden zur Unentgeltlichkeit aus, um die Freigebigkeit zu bejahen. Ein auf die Bereichung des Empfängers gerichteter Wille im Sinne einer Bereicherungsabsicht (animus donandi) und ein "Wille zur schenkweisen Zuwendung" ist nicht erforderlich. Dem hat sich die FinVerw angeschlossen (R E 7.1 Abs. 3 ErbStR).
Rz. 455
Nach ständiger Rspr. des BFH (BFH vom 02.03.1994 BStBl II 1994, 366; vom 30.03.1994, BFH/NV 1995, 70 m. w. N.) liegt der Wille zur Unentgeltlichkeit vor, wenn sich der Zuwendende der Unentgeltlichkeit der Zuwendung derart bewusst ist, dass er seine Leistung ohne Verpflichtung und sei es auch nur in Bezug auf eine Naturalobligation und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung (ohne einen Gemeinschaftszweck) erbringt. Anders ausgedrückt ist der Wille zur Unentgeltlichkeit dann gegeben, wenn der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, zu der Vermögenshingabe weder rechtlich verpflichtet zu sein noch dafür eine mit seiner Leistung in einem synallagmatischen, konditionalen oder kausalen Zusammenhang stehende Gegenleistung zu erhalten. Ermittelt wird der "Wille zur Unentgeltlichkeit" gemäß der BFH-Rspr. auf der Grundlage der dem Zuwendenden bekannten Umständen nach den Maßstäben des allgemein Verkehrsüblichen. Mit der Bezugnahme auf das "allgemein Verkehrsübliche" nähert sich der BFH der objektivierenden Theorie von Schulze-Osterloh (StuW 1977, 122) an. Im Urteil vom 23.03.2006 (BStBl II 2006, 557) spricht er gar von einer "objektiven Freigebigkeit".
Rz. 456
Hintergrund für die Reduktion der subjektiven Voraussetzungen freigebiger Zuwendungen durch den BFH ist sicherlich auch die Erkenntnis, dass die Feststellung innerer Tatsachen im Verwaltungsalltag der Finanzbehörden nur begrenzt möglich ist. Mit dem Verzicht auf Willenselemente und der Reduktion der subjektiven Voraussetzungen auf lediglich Wissenselemente, die sodann anhand des allgemein Verkehrsüblichen indiziert werden können, wird den Verwaltungsbedürfnissen, die auf eine zügige Abwicklung von Massenverfahren ausgerichtet sind, weitgehend entsprochen. Die andere Seite dieser Medaille der BFH-Rspr. ist allerdings, dass die inneren (subjektiven) Vorgänge wie z. B. Absichten, Zielsetzungen, Beweggründe nur dann Berücksichtigung finden können, wenn sie der allgemeinen Verkehrsüblichkeit entsprechen. Ebenfalls sind die Motive des Zuwendenden nach der Rspr. des BFH für die Erfüllung des Steuertatbestandes des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unerheblich (BFH vom 05.02.2003, BFH/NV 2004, 340).
Rz. 457
Die Rspr. des BFH hat insb. für den Bereich der unbenannten ehebedingten Zuwendungen und den Bereich der Zuwendungen im Geschäftsleben Relevanz. Während der BFH allerdings unbenannte ehebedingte Zuwendungen der Schenkungsteuerpflicht unt...