Ausgewählte Rechtsprechung:
BFH vom 18.11.2004, BFH/NV 2005, 355;
BFH vom 23.11.2011, BStBl II 2012, 473;
BFH vom 29.06.2016, BStBl II 2016, 865.
Rz. 479
Kommt es zu Auseinandersetzungen hinsichtlich einer freigebigen Zuwendung mit der Finanzbehörde, so hat die Feststellungslast in der Praxis eine erhebliche Bedeutung. Eine freigebige Zuwendung i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfordert, dass sowohl die objektiven als auch die subjektiven Merkmale des steuerbaren Zuwendungstatbestandes vorliegen. Grundsätzlich obliegt es der Finanzbehörde, die Steuerpflichtigkeit eines Vorganges darzulegen und nachzuweisen (BFH vom 05.11.1970, BStBl II 1971, 220, 223; BFH vom 20.03.1987, BStBl II 1987, 679). In einem Finanzrechtsstreit trifft daher die Behörde die objektive Beweislast für das Vorliegen sämtlicher für die Besteuerung erforderlichen Merkmale (BFH vom 02.03.2006, DStRE 2006, 1012).
2.7.1 Feststellungslast objektiver Voraussetzungen
Rz. 480
I.R.d. Feststellungslast der Finanzbehörde obliegt dieser die Darlegung- und Beweislast für die objektive Unentgeltlichkeit der Zuwendung. Verbleibende Zweifel (non liquet) gehen daher zu Lasten der Steuerbehörde, wenn der Steuerpflichtige (nachvollziehbar) darlegt, dass es an der Unentgeltlichkeit fehlt, da die Vermögenshingabe mit einer Gegenleistung rechtlich verknüpft war oder in Erfüllung einer bestehenden Rechtspflicht erfolgte. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass in Fällen mit Auslandsberührung gem. § 91 Abs. 2 AO eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen besteht, der dieser nachkommen muss, um das Beweislastverhältnis nicht umzukehren.
Rz. 481
Zu beachten ist des Weiteren, dass sich die Feststellungslast auch dann umkehren kann, wenn seitens des Steuerpflichtigen ungewöhnliche Gestaltungen oder Geschehensabläufe vorgetragen werden (BFH vom 10.10.1975, BStBl II 1975, 852, 853). Dies gilt z. B. für den Vortrag des Bestehens eines Treuhandverhältnisses (§ 159 AO) oder eines inneren Vorbehalts (BFH vom 05.03.1980, BStBl II 1980, 402; vom 18.11.2004, BFH/NV 2005, 355) oder für das Fehlen einer Bereicherung infolge des Bestehens eines Gegenanspruchs, z. B. auf Rückübertragung der Zuwendung, den der Zuwendende auch geltend machen wollte. Verbleiben bei derartigen Vorträgen Zweifel, geht die Ungewissheit insoweit zu Lasten des Steuerpflichtigen.
Rz. 482
Besonderheiten sind bei Kapitalüberlassungen zu berücksichtigen. Für diese besteht nämlich keine höhere Wahrscheinlichkeit einer schenkweisen Überlassung als für eine Überlassung darlehenshalber. Der Nachweis einer freigebigen Geldzuwendung ist daher selbst dann von der Finanzbehörde zu erbringen, wenn es sich um die Kapitalüberlassung an nahestehende Personen, z. B. den Ehegatten, handelt (FG Rheinland-Pfalz vom 15.09.1994, UVR 1995, 24). Gleiches gilt auch für ungeklärte Geldzuflüsse (FG Köln vom 28.12.2000, EFG 2001, 767). Soweit der BFH im Urteil vom 05.03.1980 (BStBl II 1980, 402) von einer tatsächlichen Schenkungsvermutung bei Vermögensübertragung zwischen Eheleuten ausging, hat er diese Ansicht mit Urteil vom 28.01.1984 (BStBl II 1985, 159) explizit aufgegeben. Demhingegen trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast, wenn er bei einem Ehegatten-Oder-Konto eine zur Auslegungsregelung des § 430 BGB (Berechtigung zu gleichen Teilen) im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten anderen Berechtigungsvereinbarung vorträgt (BFH vom 23.11.2011, BStBl II 2012, 473). Gleiches gilt, wenn bei Vermögensverschiebungen von einem Einzelkonto eines Ehegatten auf ein Einzelkonto des anderen Ehegatten die Vereinbarung einer gemeinsamen Berechtigung beider Ehegatten über das jeweilige Einzelkonto vorgetragen wird (BFH vom 29.06.2016, BStBl II 2016, 865).
Rz. 483–484
vorläufig frei
2.7.2 Feststellungslast subjektiver Voraussetzungen
Rz. 485
Auch im subjektiven Bereich trägt die Finanzbehörde grundsätzlich die Feststellungslast. Infolge der Reduktion der subjektiven Zuwendungsvoraussetzungen durch den BFH (s. Rn. 454 f.) und der Tatsache, dass innere Tatsachen stärker in der Sphäre des Steuerpflichtigen verbleiben als objektive Tatsachen, die nach außen in Erscheinung treten, besteht die Möglichkeit für die Finanzbehörde, den Willen zur unentgeltlichen Zuwendung "auf der Grundlage der dem Zuwendenden bekannten Umstände nach den Maßstäben des allgemein Verkehrsüblichen" festzustellen (BFH vom 12.07.1979, BStBl II 1979, 631; vom 05.03.1980, BStBl II 1980, 402; vom 10.09.1986, BStBl II 1987, 80; vom 02.03.1994, BStBl II 1994, 366). Dies hat zur Folge, dass beim Vorliegen der objektiven Voraussetzungen auf das Vorliegen des subjektiven Tatbestands geschlossen werden kann. Je eindeutiger die objektiven Umstände zu Tage treten, z. B. infolge eines krassen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung bei einer gemischten Schenkung, desto stärker ist auch die Vermutung für die Kenntnis des Zuwendenden über die Unentgeltlichkeit (BFH vom 05.10.1990, BStBl II 1991, 181; vom 01.07.1992, BStBl II 1992, 921). Soweit für die Bewertung einer (Gegen-)Leistung der Maßstab des allgemein Verkehrsüblichen heranzuziehen ist, reicht es aus, das...