Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
3.1 Bewertung von börsennotierten Aktien
Rz. 6
Wie aus der Überschrift zu § 11 BewG zu erkennen ist, befasst sich die Vorschrift (auch) mit der Anteilsbewertung, insb. der Anteile an KapG (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BewG). § 11 BewG unterscheidet in seinen Absätzen 1 und 2 Vorgänge innerhalb und außerhalb des Börsenverkehrs. Sofern Anteile verbrieft und börsennotiert sind (z. B. Aktien), ist vorrangig der Kurswert anzusetzen (§ 11 Abs. 1 BewG). Ist dies nicht möglich (z. B. GmbH-Anteile), ist der gemeine Wert zu ermitteln (§ 11 Abs. 2 BewG).
Rz. 7
Aktien (Anteile mit Wertpapiercharakter), die am Bewertungsstichtag an der Börse gehandelt werden, sind mit dem niedrigsten am Stichtag notierten Kurs anzusetzen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 BewG). Der notierte Kurs der Wertpapiere ist als deren (vereinfacht zu ermittelnder) gemeiner Wert i. S. d. § 9 BewG anzusehen. Es handelt sich um eine Typisierung bei der Wertfindung, die dem steuerlichen Massenverfahren Rechnung trägt und der gleichmäßigen Steuerfestsetzung dienen soll. Es erfolgt kein Abschlag vom Börsenkurs wegen eines tatsächlich unter dem Börsenkurs liegenden gemeinen Werts (keine Öffnungsklausel). Abweichungen vom Kurswert sind nur dann zuzulassen, wenn der festgestellte Kurs nicht der wirklichen Geschäftslage des Verkehrs an der Börse entspricht, d. h. eine Streichung des festgestellten Kurses hätte erreicht werden können (BFH vom 01.10.2001, BFH/NV 2002, 319).
Rz. 8
Es muss der niedrigste am Stichtag an einer der acht deutschen Börsen im amtlichen Börsenhandel (nach dem Börsenzulassungsgesetz vom 16.12.1986 [BGBl I 1986, 2478] vollzieht sich der Handel zum einen im amtlichen Handel und zum anderen im geregelten Markt oder Freiverkehr) notierte Kurs (bei variablen Kursen = Kassakurs, ansonsten Einheitskurs) festgestellt werden (nicht Eröffnungs-/Schlusskurs, es sei denn, er wäre der niedrigste). Durch das Finanzmarktrichtlinienumsetzungsgesetz vom 16.07.2007 (BGBl I 2007, 1330) wurde der Begriff "amtlicher" Handel ab 01.11.2007 durch "Handel im regulierten Markt" ersetzt. Diese neue Terminologie erfolgte als Reaktion auf die neuen Begrifflichkeiten des Börsengesetzes. Liegt eine Kursnotierung zum Stichtag nicht vor (z. B. weil kein Börsenhandel oder Aktie nicht notiert), ist der letzte innerhalb der letzten 30 Tage vor dem Stichtag notierte Kurs – unabhängig von seiner Höhe – maßgebend (§ 11 Abs. 1 Satz 2 BewG). Kurse nach dem Stichtag sind ohne Relevanz.
Rz. 9
Entsprechend ist zu verfahren, wenn die Aktie in den Freiverkehr einbezogen ist (§ 11 Abs. 1 Satz 3 BewG). Es ist also zwischen den im amtlichen Börsenhandel festgestellten Kursen und den Preisen von Wertpapieren, die im geregelten Markt/Freiverkehr gehandelt werden, zu unterscheiden. Erstere werden im amtlichen Kursblatt bekanntgegeben, Letztere können "veröffentlicht" werden (z. B. im Kursblatt der Börse). Werden Kurse amtlich festgestellt, so haben sie i. R.d. § 11 Abs. 1 BewG ein größeres Gewicht als die im Freiverkehr veröffentlichten Kurse. Liegt ein amtlicher Börsenkurs für die letzten 30 Tage vor dem Besteuerungszeitpunkt nicht vor, kann auch bei Aktien, die im amtlichen Markt gehandelt werden, auf die nicht amtlichen Kurse im geregelten Markt/Freiverkehr zurückgegriffen werden. Kurs i. S. d. § 11 Abs. 1 Satz 3 BewG ist auch der im Kursblatt einer Börse angegebene Kurs mit dem Zusatz "G". Dieser Kurs ist jedoch für die Bewertung nicht von Bedeutung, wenn er im geregelten Freiverkehr veröffentlicht wurde und erwiesen ist, dass ihm kein Kaufangebot innerhalb der Dreißigtagefrist des § 11 Abs. 1 Satz 2 BewG zugrunde liegt (BFH vom 21.02.1990, BStBl II 1990, 490).
Rz. 10
Werden Aktien in einem Bankdepot verwaltet (Regelfall), so wird wohl der von der Bank anzuzeigende Kurswert vom FA übernommen werden (§ 33 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 1 ErbStDV/Muster 1). Je nachdem, aus welcher Börse die Bank den Kurswert abgeleitet hat, muss dies nicht zwingend der niedrigste am Stichtag notierte Kurswert i. S. d. § 11 Abs. 1 Satz 1 BewG sein. Es bleibt deshalb u. E. dem Steuerpflichtigen unbenommen, den niedrigsten Kurswert einer deutschen Börse am Stichtag nachzuweisen.
Rz. 11
Zur Vornahme eines Paketzuschlags nach § 11 Abs. 3 BewG s. Rn. 21 ff. und Rn. 69.
Rz. 12–14
vorläufig frei
3.2 Bewertung von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften
3.2.1 Allgemeines
Rz. 15
Anteile an KapG, die nicht mit dem Kurswert nach § 11 Abs. 1 BewG bewertet werden können, sind mit dem (originären) gemeinen Wert anzusetzen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 9 BewG). Dies betrifft vor allem die Fälle von nicht an der Börse notierten Anteilen, wie z. B. GmbH-Anteile oder nicht notierte Aktien. Liegt bei notierten Aktien im amtlichen Handel ein amtlicher Börsenkurs sowohl am Stichtag als auch für die letzten 30 Tage davor nicht vor und kann auch nicht auf die nicht amtlichen Kurse im Freiverkehr zurückgegriffen werden, so ist auch dann der gemeine Wert nach § 11 Abs. 2 BewG zu ermitteln.
Der gemeine Wert ist gesondert festzustellen und i. R.d. Erbschaft- und Schenkungsteuer anzusetzen (§ 12 Abs. 2 ErbStG i. V. m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG). Zuständig dafür ist das sog. Be...