3.1 Allgemeines (§ 17 Abs. 2 Satz 1 ErbStG)

 

Rz. 16

Kindern i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (also Kindern, Stief- und Adoptivkindern, und auch Enkelkinder, wenn deren Vater bzw. Mutter bereits verstorben ist) werden für Erwerbe von Todes wegen neben dem Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (die Voraussetzungen für dessen Gewährung müssen also vorliegen) nach fünf Altersstufen gestaffelte besondere Versorgungsfreibeträge gewährt. Die Freibeträge stehen jedem Kind nach jedem Elternteil zu. Die Abstufung wird vorgenommen, weil mit zunehmendem Alter des Kindes die Notwendigkeit für einen solchen besonderen Versorgungsfreibetrag abnimmt.

Versorgungsfreibeträge nach § 17 Abs. 2 Satz 1 ErbStG

 
Praxis-Beispiel

Sohn S (geb. am 21.01.2001) ist Alleinerbe seines am 21.03.2021 verstorbenen Vaters.

Lösung:

Fraglich ist, ob der Sohn den Versorgungsfreibetrag nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 (20.500 EUR) oder Nr. 5 (10.300 EUR) ErbStG erhält. Sohn S hat nach den Bestimmungen des BGB mit Ablauf des 20.01.2021 sein 20. Lebensjahr vollendet (§ 187 Abs. 2 BGB). Da § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 ErbStG den Begriff der Vollendung eines Lebensjahres enthält, kann man davon ausgehen, dass dies auch für § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 ErbStG gelten soll. Dies bedeutet, dass S nicht mehr unter § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ErbStG fällt, da er ein Alter von mehr als 20 Jahren hat (20 Jahre und × Monate und × Tage). Für ihn kommt also nur der Versorgungsfreibetrag nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 ErbStG i. H. v. 10.300 EUR in Betracht.

 

Rz. 17

vorläufig frei

3.2 Kürzung des Versorgungsfreibetrags (§ 17 Abs. 2 Satz 2 und 3 ErbStG)

 

Rz. 18

Stehen dem Kind aus Anlass des Todes des Erblassers nicht der Erbschaftsteuer unterliegende Versorgungsbezüge i. S. d. R E 3.5 ErbStR zu, wird nach § 17 Abs. 2 Satz 2 ErbStG der Freibetrag um den nach § 13 Abs. 1 BewG zu ermittelnden Kapitalwert dieser Versorgungsbezüge gekürzt, damit diese Kinder nicht gegenüber den anderen Kindern bevorzugt sind.

 

Rz. 19

Bei der Berechnung ihres Kapitalwerts ist von der nach den Verhältnissen im Besteuerungszeitpunkt (§ 11 ErbStG) voraussichtlichen Dauer der Versorgungsbezüge auszugehen (§ 17 Abs. 2 Satz 3 ErbStG). Bei Waisen steht regelmäßig von vornherein fest, dass die Versorgungsbezüge nur für eine bestimmte Zeit gezahlt werden. Es handelt sich deshalb nicht um lebenslängliche, sondern um zeitlich befristete Bezüge. Der Kapitalwert der Waisenbezüge ist hier – im Gegensatz zur Ermittlung des Kapitalwerts der Versorgungsbezüge nach § 17 Abs. 1 ErbStG – nicht nach § 14 BewG, sondern nach Anlage 9a zu § 13 Abs. 1 BewG zu ermitteln.

 
Praxis-Beispiel

Vater V hinterlässt seinem 17-jährigen Kind K 500.000 EUR Bargeld. Außerdem steht K aus Anlass des Todes des V ein nicht erbschaftsteuerbarer Versorgungsbezug mit einem Jahreswert von 1800 EUR zu. Die voraussichtliche Dauer dieses Bezugs beträgt sechs Jahre.

Lösung:

Der steuerpflichtige Erwerb des K ermittelt sich wie folgt:

Bargeld:

500.000 EUR ./. 400.000 EUR Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG = 100.000 EUR

Versorgungsbezug:

Der Versorgungsfreibetrag nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ErbStG i. H. v. 20.500 EUR ist nach § 17 Abs. 2 Satz 2 und 3 ErbStG um den Kapitalwert des nicht steuerbaren Versorgungsbezugs zu kürzen. Der Kürzungsbetrag berechnet sich wie folgt:

Kapitalwert:

1.800 EUR × 5,133 (§ 13 Abs. 1 BewG i. V. m. Anlage 9a) = 9.239 EUR

gekürzter Freibetrag:20.500 EUR ./. 9.239 EUR = 11.261 EUR

Abgerundeter steuerpflichtiger Erwerb: 100.000 EUR ./. 11.261 EUR = 88.700 EUR

ErbSt Kind K = 11 % nach § 19 Abs. 1 ErbStG: 9.757 EUR

 

Rz. 20

I.d.R. endet die Laufzeit der Waisenbezüge mit dem Erreichen eines bestimmten Alters oder mit dem Ende der Schul- oder Berufsausbildung. Eine kürzere Laufzeit gegenüber der Vorausschätzung, z. B. bei unerwartet schnellem Abschluss der für die Laufzeit der Bezüge maßgeblichen Ausbildung, ist kein Anlass für eine Änderung der Steuerfestsetzung. Soweit allerdings die Bezüge auflösend bedingt sind, kann nach Eintritt der Bedingung eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO beantragt werden.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Preißer, Erbschaft- und Schenkungsteuer (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


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