Rz. 51
Zum verfügbaren Vermögen gehören 50 % der gemeinen Werte des
- miterworbenen Vermögens und
- zum Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 9 ErbStG bereits dem Erwerber gehörenden sonstigen Vermögens
gem. § 28a Abs. 2 ErbStG, soweit solches Vermögen nicht zum begünstigten Vermögen i. S. d. § 13b Abs. 2 ErbStG gehört oder gehören würde.
Beispiel (nach Viskorf/Löcherbach/Jehle, DStR 2016, 2425 (2432)):
Erwerberin T erhält einen Familienbetrieb mit gemeinem Wert 50 Mio. EUR und ein Wertpapierdepot mit Wert 10 Mio. EUR sowie stillen Reserven von 5 Mio. EUR. Zum Erwerbszeitpunkt hat sie bereits eigenes Vermögen: Hausrat, Schmuck, Pkw und Familienwohnheim von insgesamt 1 Mio. EUR sowie eine Firmenbeteiligung von 10 Mio. EUR (gemeiner Wert) an einem weiteren Unternehmen (Gesamtwert 500 Mio. EUR, VV 50 Mio. EUR.).
Lösung:
Die Wertgrenze von 26 Mio. EUR ist überschritten, es wird die Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG beantragt. Die Steuer auf den Familienbetrieb beträgt 15 Mio. EUR (30 % von 50 Mio. EUR). Das verfügbare Vermögen ermittelt sich wie folgt:
- zugleich übergegangenes Vermögen: 5 Mio. EUR (50 % von 10 Mio. EUR),
bereits vorhandenes Vermögen:
- Hausrat, Schmuck, Pkw, Haus: 0,5 EUR (50 % von 1 Mio. EUR),
- BV: 0,5 Mio. EUR (50 % von 1 Mio. EUR anteiligem VV, das übrige BV ist begünstigt),
- verfügbares Vermögen: 6 Mio. EUR.
Mithin beträgt der Steuererlass 15 Mio. EUR abzgl. 6 Mio. EUR = 9 Mio. EUR.
Die verbleibende Steuer nach der Verschonungsbedarfsprüfung beträgt 6 Mio. EUR. Dazu sind die Steuern auf das zugleich übergegangene nicht begünstigte Vermögen von 30 % auf 10 Mio. EUR = 3 Mio. EUR zu addieren, sodass die fällige Erbschaftsteuer für T 9 Mio. EUR beträgt.
Somit gehören zum verfügbaren Vermögen insb. das nicht nach § 13b Abs. 1 ErbStG begünstigungsfähige Vermögen (z. B. Anteile an KapG < 25 %, ausländisches BV aus Drittstaaten, PV, aber auch nicht begünstigungsfähiges VV) (vgl. R E 28a.2 Abs. 1 Satz 7 ErbStR). Anzusetzen sind die jeweiligen Nettowerte einschließlich des Abzugs von Schulden und Lasten sowie der Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 ErbStG (R E 28a.2 Abs. 2 Satz 4 f. ErbStR).
Rz. 52
Unerheblich ist, ob das verfügbare Vermögen liquide ist. Dies kann insb. für unternehmerisch gebundenes Vermögen problematisch sein, welches dem Erwerber nicht zur freien Verfügung steht (vgl. Oppel, SteuK 2016, 469, 476).
Grds. ist zu beachten, dass der Steuerpflichtige selbst sämtliche Bewertungen und Berechnungen auf eigene Kosten vorzunehmen hat, um diese dann bei der Beantragung der Verschonungsbedarfsprüfung mit einzureichen. Hierbei sind nun nicht nur das durch den Erbgang oder die Schenkung erworbene Vermögen zu beurteilen, sondern vielmehr sämtliche Vermögensgegenstände aus dem bisherigen Vermögen des Erwerbers zu betrachten, zu beurteilen und zu bewerten. Gegebenenfalls sind für einzelne Vermögensgegenstände auch separate Wertgutachten einzuholen. Falls sich eine Unternehmensbeteiligung im bereits vorhandenen Vermögen befindet, ist für diese ebenfalls das komplette Prüfungs- und Ermittlungsschema bestehend aus Bewertung des Betriebes, des VV, Ermittlung des Finanzmittelvermögens, quotaler Schuldenabzug usw. vorzunehmen. Dies gilt unabhängig von der Größe des vorhandenen wie auch des erworbenen BV. Mithin kann auch der Aufwand für den Erwerb eines kleinen Mitunternehmeranteils sehr groß werden, wenn das bereits vorhandene Vermögen einen entsprechenden Aufwand erfordern sollte.
Der Erwerber bzw. Inhaber nur kleinerer Unternehmensanteile wird zudem kaum Möglichkeiten haben, eine Reduzierung des Verwaltungsvermögens über Ausschüttungen oder Entnahmen beeinflussen zu können, wenn er seine Mitgesellschafter nicht von derselben Notwendigkeit überzeugen kann.
Rz. 53
Insb. die Einbeziehung von an sich steuerfreien Vermögensgegenständen wie z. B. des Familienwohnheims, des in bestimmten Grenzen steuerfreien Hausrates oder auch des bereits – ggf. ebenfalls nach Einhaltung bestimmter Bedingungen unter Berücksichtigung von Steuerbefreiungen – erhaltenen sonstigen BV oder auch von unter § 13d ErbStG befreiten Wohnungsvermögens erscheint nicht sachgerecht. Auf dem Umweg der Einbeziehung in sog. verfügbares Vermögen und der Verwendung von 50 % dessen je Erwerbsvorgang erfolgt eine indirekte Besteuerung des vorhandenen oder bereits früher erworbenen Vermögens. So werden "durch die Hintertür" (vgl. Viskorf/Löcherbach/Jehle, DStR 2016, 2425, 2432) nachträglich an sich steuerfreie Vermögensgegenstände i. H. v. 50 % ihres Wertes von der Steuer erfasst.
Rz. 54
Eine weitere Problematik stellt m. E. die mehrfache Steuerbelastung für das verfügbare Vermögen dar. Bei der Ermittlung und Einbeziehung dieses verfügbaren Vermögens wird völlig außer Acht gelassen, dass es sich in der Regel um bereits versteuertes Vermögen handelt. In der Regel sind für dieses Vermögen bereits Einkommensteuern oder auch Erbschaft- und Schenkungsteuern gezahlt worden. Dennoch wird es zur Hälfte wieder für die Erbschaftsteuerzahlung herangezogen. D...