Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
3.2.1 Allgemeines
Rz. 15
Anteile an KapG, die nicht mit dem Kurswert nach § 11 Abs. 1 BewG bewertet werden können, sind mit dem (originären) gemeinen Wert anzusetzen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 9 BewG). Dies betrifft vor allem die Fälle von nicht an der Börse notierten Anteilen, wie z. B. GmbH-Anteile oder nicht notierte Aktien. Liegt bei notierten Aktien im amtlichen Handel ein amtlicher Börsenkurs sowohl am Stichtag als auch für die letzten 30 Tage davor nicht vor und kann auch nicht auf die nicht amtlichen Kurse im Freiverkehr zurückgegriffen werden, so ist auch dann der gemeine Wert nach § 11 Abs. 2 BewG zu ermitteln.
Der gemeine Wert ist gesondert festzustellen und i. R.d. Erbschaft- und Schenkungsteuer anzusetzen (§ 12 Abs. 2 ErbStG i. V. m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG). Zuständig dafür ist das sog. Betriebs-FA der KapG (§ 152 Nr. 3 BewG). Ergebnis der gesonderten Feststellung ist der Anteilswert (§ 157 Abs. 4 BewG), der durch einen Feststellungsbescheid bekannt gegeben wird (§ 179 Abs. 1 AO).
Rz. 16
Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (Marktwert, Verkehrswert). Durch § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG wird die Ermittlung des gemeinen Werts erweitert und spezifiziert. Zum einen soll er vorrangig aus Verkäufen abgeleitet werden, die weniger als ein Jahr vor dem Besteuerungszeitpunkt zurückliegen (1. Alt.), oder er ist nach einem anderen Bewertungsverfahren zu ermitteln (2. und 3. Alt.). Dadurch ist auch das Rangverhältnis der Bewertungsmethoden zueinander gesetzlich normiert und nicht in das Belieben des Rechtsanwenders gestellt (BFH vom 22.01.2009, BStBl II 2009, 444 m. w. N.).
3.2.2 Ableitung aus Verkäufen
Rz. 17
Der gemeine Wert von nicht notierten Anteilen an KapG ist nach § 11 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. BewG vorrangig aus tatsächlichen Verkäufen unter fremden Dritten – derselben KapG, deren Anteil übergeht (BFH vom 14.10.1966, BStBl III 1967, 82) –, die zum Bewertungsstichtag weniger als ein Jahr zurückliegen, abzuleiten. Die Anzahl der Verkäufe spielt dabei keine Rolle. Es kann auch aus einem einzigen Verkauf abgeleitet werden, wenn Gegenstand des Verkaufs nicht nur ein Zwerganteil ist oder der zu bewertende Anteil ebenfalls nur einen Zwerganteil darstellt, da dieser nur eine geringe Aussagekraft besitzt (dazu auch BFH vom 07.12.1979, BStBl II 1980, 234 und BFH vom 05.03.1986, BStBl II 1986, 591). Ein solcher Zwerganteil kann i. d. R. bei einem Anteilsbesitz von weniger als 5 % bei einer Aktiengesellschaft und von weniger als 10 % bei einer GmbH – jeweils bezogen auf das Nennkapital (Grund- oder Stammkapital, ggf. gemindert um Anteile, die von der KapG selbst gehalten werden; so wohl die Ansicht der FinVerw, hergeleitet aus R B 97.6 Abs. 1 Satz 1 HS 2 ErbStR) – angenommen werden.
Rz. 18
Es dürfen nur Verkaufserlöse berücksichtigt werden, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (Handel nach den wirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage, bei dem die Vertragspartner ohne Zwang und Not, sondern in Wahrung ihrer eigenen Interessen handeln) erzielt worden sind (§ 9 Abs. 2 Satz 2 und 3 BewG). Dürfen Anteile nach den vertraglichen Regelungen ausschließlich an bestimmte Personen (z. B. Mitglieder eines Familienstamms) veräußert werden, können hierin Verfügungsbeschränkungen bestehen, die nach § 9 Abs. 2 Satz 3 und § 9 Abs. 3 BewG nicht berücksichtigt werden. Der Steuerpflichtige kann in diesem Fall jedoch nachweisen, dass diese Beschränkungen tatsächlich nicht zu einem unter dem gemeinen Wert liegenden Wert geführt haben. Dieser Nachweis muss entsprechend § 11 Abs. 2 Satz 2 und 3 BewG durch Vorlage eines Gutachtens unter Angabe des Substanzwerts geführt werden (R B 11.3 ErbStR).
Rz. 19
Die Ausgabe neuer Geschäftsanteile i. R. einer Kapitalerhöhung zur Aufnahme eines neuen Gesellschafters kann als Verkauf herangezogen werden. Telefonkurse im Bankverkehr, denen nicht lediglich geringfügige Verkäufe ohne echten Aussagewert zugrunde liegen, sind auch grds. für die Wertableitung geeignet (R B 11.2 Abs. 1 Satz 5 ErbStR).
Rz. 20
Verkäufe nach dem Stichtag sind grds.für die Ableitung nicht mehr von Bedeutung. Nach BFH vom 02.11.1988 (BStBl II 1989, 80) sowie vom 11.11.1998 (BFH/NV 1999, 908) ist aber eine Einigung über den Kaufpreis eines kurz nach dem Stichtag abgeschlossenen Verkaufs von Geschäftsanteilen auch dann vor dem Stichtag zustande gekommen, wenn sich die Verhandlungen durch Festlegung eines Preisrahmens so weit verdichtet haben, dass der Kaufpreis durch den Kaufvertrag nur noch dokumentiert werden muss. Auch Kaufpreisminderungen, die erst nach dem Bewertungsstichtag eingetreten sind, will der BFH berücksichtigt wissen, wenn bereits am Bewertungsstichtag die Voraussetzungen eines Minderungsrechts objektiv vorhanden waren und die Minderung später auch tatsächlich vollzogen worden ist (BFH vom 22.01.2009, BStBl II 2009, 444). In einem weiteren Urteil vom 22.06.2010 (BStBl II 2010, 843) entschied der BFH: "Wurden während laufender Verkaufsverha...