Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
3.2.3.1 Allgemeines
Rz. 29
Der Bedarfswert von Anteilen an KapG (Anteilswert), die nicht mit dem Kurswert bewertet werden können (insb. GmbH-Anteile) und deren gemeiner Wert sich auch nicht aus Verkäufen ableiten lässt, war bis 2008 nach dem Stuttgarter Verfahren zu schätzen (§ 11 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. BewG a. F.). Der gemeine Wert des Anteils war dabei unter Berücksichtigung des Vermögens (Vermögenswert) und der Ertragsaussichten (Ertragsprozentsatz) der betroffenen KapG zu ermitteln.
Rz. 30
Das Stuttgarter Verfahren wurde durch das ErbStRG nicht weitergeführt. Lässt sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, sind folgende branchentypische Bewertungsverfahren möglich:
- Der gemeine Wert ist unter Berücksichtigung (allein) der Ertragsaussichten – und eben nicht mehr des Vermögens – der KapG zu ermitteln (§ 11 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. BewG), oder
- der gemeine Wert ist unter Berücksichtigung einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode zu ermitteln (§ 11 Abs. 2 Satz 2, 3. Alt. BewG).
Dabei ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde.
Rz. 31
Alternativ bietet der Gesetzgeber auch das sog. vereinfachte Ertragswertverfahren nach dem BewG an (§ 11 Abs. 2 Satz 4 i. V. m. §§ 199 bis 203 BewG).
Rz. 32
Als Mindestwert (Substanzwert) wird durch § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG die Summe der gemeinen Werte der zum ertragsteuerlich notwendigen und gewillkürten BV gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum BV gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge des Gewerbebetriebs festgelegt; die §§ 99 und 103 BewG sind dabei zu beachten. Dieser Mindestwert darf durch die angewandte Bewertungsmethode nicht unterschritten werden
Rz. 33
Diese und die nachfolgenden Ausführungen gelten auch i. R.d. Bedarfsbewertung des BV (Einzelunternehmen und Anteile an gewerblichen PersG, s. § 109 BewG). Vgl. dazu die Kommentierung der jeweiligen §§ des BewG.
Rz. 34
vorläufig frei
3.2.3.2 Branchentypische Bewertungsverfahren
3.2.3.2.1 Überblick
Rz. 35
In der nichtsteuerlichen Bewertungspraxis erfordern unterschiedliche Anlässe eine betriebswirtschaftliche Bewertung des Unternehmens. So müssen bspw. Wirtschaftsprüfer (aber auch Unternehmensberater, Steuerberater, Banken oder öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Unternehmensbewertungen) i. R. von Unternehmensverkäufen, anlässlich von Erbauseinandersetzungen, zur Ermittlung des Zugewinnausgleichs i. R. einer Scheidung oder eines Börsengangs eine Bewertung durchführen.
Rz. 36
Es existieren unterschiedliche betriebswirtschaftliche Bewertungsverfahren, die teilweise auch parallel zur Anwendung kommen können. Es gibt kein außersteuerliches Bewertungsverfahren, das für alle Unternehmen gleichermaßen anwendbar ist. Nach Henselmann/Barth (s. "Übliche Bewertungsmethoden"/Eine empirische Erhebung für Deutschland, BewertungsPraktiker 2009/2, 9) können pro Bewertungsfall nicht nur eine Methode, sondern rechnerisch durchschnittlich 2,65 Methoden zugrunde gelegt werden.
Nach Eisele (Erbschaftsteuerreform 2009, 212) lassen sich im Wege einer groben Systematisierung drei Grundarten von branchentypischen Bewertungsverfahren darstellen:
3.2.3.2.2 Einzelbewertungsverfahren
Rz. 37
Einzelbewertungsverfahren sind Substanzwertverfahren. I.R.d. Bewertung werden die positiven und negativen Wirtschaftsgüter des Unternehmens einzeln bewertet und zu dem Unternehmenswert hinzuaddiert. Der Substanzwert kann dabei unter dem Gesichtspunkt der Unternehmensfortführung auf der Basis von Reproduktionswerten oder unter dem Gesichtspunkt der Unternehmenszerschlagung auf der Basis eines Liquidationswerts berechnet werden.
Praktische Anwendung findet dieses Verfahren i. d. R. bei ertragsschwachen Unternehmen oder in Insolvenzfällen.
3.2.3.2.3 Gesamtbewertungsverfahren
Rz. 38
Gesamtbewertungsverfahren ermitteln den gemeinen Wert eines Unternehmens unter der Prämisse, dass es als (wirtschaftliche) Einheit fortgeführt wird. So ist die in Zukunft zu erwartende Ertragslage, und nicht die gemeinen Werte der einzelnen Wirtschaftsgüter, die entscheidende Bewertungsgrundlage. Die Praxis kennt als Gesamtbewertungsverfahren insb.:
Rz. 39
Discounted-Cashflow-Verfahren (DCF-Verfahren)
Diese – am häufigsten angewandten – Bewertungsverfahren basieren auf den (prognostizierten) zukünftigen Zahlungsüberschüssen (Zahlungsstrom = Cashflow) und diskontieren diese finanzmathematisch auf den Bewertungsstichtag. Der Cashflow versucht die tatsächlichen Zahlungsströme abzubilden, sodass die nicht zahlungswirksamen Posten wie z. B. Abschreibungen oder Rückstellungen nicht erfasst werden. Somit ist der Cashflow eine Liquiditätskennzahl. Ein positiver Cashflow drückt demnach aus, dass ein Unternehmen die Kredite aus seinen laufenden Einnahmen tilgen kann. Der Begriff DCF bedeutet demnach "abgezinster Zahlungsstrom". Dabei werden sowohl zu zahlende (betriebliche) Ertragssteuern als auch die gemeinen Werte des nicht betriebsnotwendigen Vermögens mit einbezogen. Es existieren – je nach Finanzierungsannahme – untersch...