Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
3.2.3.2.1 Überblick
Rz. 35
In der nichtsteuerlichen Bewertungspraxis erfordern unterschiedliche Anlässe eine betriebswirtschaftliche Bewertung des Unternehmens. So müssen bspw. Wirtschaftsprüfer (aber auch Unternehmensberater, Steuerberater, Banken oder öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Unternehmensbewertungen) i. R. von Unternehmensverkäufen, anlässlich von Erbauseinandersetzungen, zur Ermittlung des Zugewinnausgleichs i. R. einer Scheidung oder eines Börsengangs eine Bewertung durchführen.
Rz. 36
Es existieren unterschiedliche betriebswirtschaftliche Bewertungsverfahren, die teilweise auch parallel zur Anwendung kommen können. Es gibt kein außersteuerliches Bewertungsverfahren, das für alle Unternehmen gleichermaßen anwendbar ist. Nach Henselmann/Barth (s. "Übliche Bewertungsmethoden"/Eine empirische Erhebung für Deutschland, BewertungsPraktiker 2009/2, 9) können pro Bewertungsfall nicht nur eine Methode, sondern rechnerisch durchschnittlich 2,65 Methoden zugrunde gelegt werden.
Nach Eisele (Erbschaftsteuerreform 2009, 212) lassen sich im Wege einer groben Systematisierung drei Grundarten von branchentypischen Bewertungsverfahren darstellen:
3.2.3.2.2 Einzelbewertungsverfahren
Rz. 37
Einzelbewertungsverfahren sind Substanzwertverfahren. I.R.d. Bewertung werden die positiven und negativen Wirtschaftsgüter des Unternehmens einzeln bewertet und zu dem Unternehmenswert hinzuaddiert. Der Substanzwert kann dabei unter dem Gesichtspunkt der Unternehmensfortführung auf der Basis von Reproduktionswerten oder unter dem Gesichtspunkt der Unternehmenszerschlagung auf der Basis eines Liquidationswerts berechnet werden.
Praktische Anwendung findet dieses Verfahren i. d. R. bei ertragsschwachen Unternehmen oder in Insolvenzfällen.
3.2.3.2.3 Gesamtbewertungsverfahren
Rz. 38
Gesamtbewertungsverfahren ermitteln den gemeinen Wert eines Unternehmens unter der Prämisse, dass es als (wirtschaftliche) Einheit fortgeführt wird. So ist die in Zukunft zu erwartende Ertragslage, und nicht die gemeinen Werte der einzelnen Wirtschaftsgüter, die entscheidende Bewertungsgrundlage. Die Praxis kennt als Gesamtbewertungsverfahren insb.:
Rz. 39
Discounted-Cashflow-Verfahren (DCF-Verfahren)
Diese – am häufigsten angewandten – Bewertungsverfahren basieren auf den (prognostizierten) zukünftigen Zahlungsüberschüssen (Zahlungsstrom = Cashflow) und diskontieren diese finanzmathematisch auf den Bewertungsstichtag. Der Cashflow versucht die tatsächlichen Zahlungsströme abzubilden, sodass die nicht zahlungswirksamen Posten wie z. B. Abschreibungen oder Rückstellungen nicht erfasst werden. Somit ist der Cashflow eine Liquiditätskennzahl. Ein positiver Cashflow drückt demnach aus, dass ein Unternehmen die Kredite aus seinen laufenden Einnahmen tilgen kann. Der Begriff DCF bedeutet demnach "abgezinster Zahlungsstrom". Dabei werden sowohl zu zahlende (betriebliche) Ertragssteuern als auch die gemeinen Werte des nicht betriebsnotwendigen Vermögens mit einbezogen. Es existieren – je nach Finanzierungsannahme – unterschiedliche DCF-Verfahren.
Ertragswertverfahren
Im Unterschied zum DCF-Verfahren werden bei der Bewertung die Erträge des Unternehmens zugrunde gelegt. Zu nennen sind insb. die folgenden Standards:
- Der AWH-Standard wurde auf der Basis der Arbeit der Arbeitsgemeinschaft der wertermittelnden Betriebsberater im Handwerk vom Zentralverband des Deutschen Handwerks herausgegeben. Ausgehend von den Ergebnissen in der Vergangenheit wird der Unternehmenswert unter Einbeziehung eines Kapitalisierungszinssatzes berechnet.
- Der IDW S1 wurde vom Institut der Wirtschaftsprüfer entwickelt und beschreibt grundsätzliche Erwägungen, nach denen Wirtschaftsprüfer Unternehmen bewerten können. Die in der Zukunft zu erwartenden Erträge werden auf den Bewertungsstichtag abgezinst. Gerade im Bereich der Bewertung einer KapG kommt diese Methode zum Einsatz.
Multiplikatorenverfahren
Ziel des Multiplikatorenverfahrens ist es, den Unternehmenswert mithilfe von Kennzahlen zu ermitteln. Je nach Branche werden die Multiplikatoren auf bestimmte (reelle) Basisgrößen bezogen (z. B. Umsatz, Gewinn oder Cashflow). Eindeutiger Vorteil dieser Methode ist die einfache Handhabung. Demnach wird diese Methode insb. zur Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen, wie bspw. Buchhandlungen, dem Kfz-Handel oder Optikergeschäften, sowie von Freiberuflerpraxen herangezogen.
3.2.3.2.4 Mischverfahren
Rz. 40
Mischverfahren berücksichtigen Elemente sowohl der Einzelbewertungs- als auch der Gesamtbewertungsmethode. Anzutreffen sind Mischverfahren als Mittelwert- oder Übergewinnverfahren. Anwendung finden sie insb. bei der Erstellung von Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen und bei der Bewertung von Freiberuflerpraxen.
Rz. 41–44
vorläufig frei
3.2.3.2.5 Fazit
Rz. 45
Der gemeine Wert eines Anteils ist demzufolge nach den für die KapG auch für außersteuerliche Zwecke üblicherweise angewandten Bewertungsverfahren zu berechnen. I.d.R. wird zumindest bei Beteiligungen an großen KapG die Ertragswertmethode zur Anwendung kommen, weil sie von der Fragestellung ausgeht, welches Kapital ein gedachter Investor einse...