Rz. 25
Das Anfangs- und Endvermögen ist nach den zivilrechtlichen Wertmaßstäben, also dem jeweiligen Verkehrswert, zu bewerten (§ 1376 BGB; s. Rn. 5 ff.). Das Anfangsvermögen ist zum Zeitpunkt des Eintritts des Güterstandes (§ 1376 Abs. 1 BGB; vgl. R E 5.1 Abs. 3 ErbStR), Hinzurechnungen im Zeitpunkt des Erwerbs, das Endvermögen im Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes und hinzuzurechnende Vermögensminderungen im Zeitpunkt ihres Eintritts (§ 1376 Abs. 2 BGB) zu bewerten. Für Verbindlichkeiten gilt eine entsprechende Bewertung (§ 1376 Abs. 3 BGB). Grds. sind alle Vermögenswerte zum Verkehrswert zu bewerten. Land- und forstwirtschaftliche Betriebe sind mit dem jeweiligen Ertragswert anzusetzen, wenn der Eigentümer auf Ausgleich in Anspruch genommen wird und eine Fortführung des Betriebs zu erwarten ist (§ 1376 Abs. 4 BGB; vgl. BVerfG vom 06.06.1989, 1065/86, BVerfGE 80, 170). Neben den praktischen Problemen, den Ehegatten bzw. Lebenspartnern jeweils die Verbindlichkeiten zuzuordnen, ist es generell schwierig, die Verkehrswerte der Vermögensgegenstände zu ermitteln (vgl. Weinmann in M/W, § 5 Rn. 24).
Unternehmen und Beteiligungen sind mit ihrem tatsächlichen Wert anzusetzen (s. Rn. 5). Im Allgemeinen wird die Hilfe eines Sachverständigen unentbehrlich sein (vgl. Budzikiewicz in Jauernig, § 1376 BGB Rn. 7). Für freiberufliche Praxen wird der maßgebliche Wert i. d. R. unter Berücksichtigung des materiellen Sach- oder Substanzwertes und des immateriellen Geschäftswertes (Goodwill) ermittelt. Letzterer wird regelmäßig unter Kapitalisierung der nachhaltig erzielbaren Erträge nach Abzug eines angemessenen Unternehmerlohns ermittelt (zur sog. "modifizierten Ertragswertmethode" s. BFH vom 08.11.2017, NJW 2018, 61). Bei sonstigen, weniger inhaberbezogenen Unternehmen bleibt der Substanzwert im Regelfall eher außer Betracht und die Wertermittlung erfolgt ausschließlich nach ertrags- bzw. zahlungsflussorientierten Verfahren, insb. nach dem IDW S 1-Standard oder einem DCF-Verfahren (vgl. Gottschalk in T/G/J/G, § 5 Rn. 123 f. m. w. N.; ausf. Münch, DStR 2014, 806). Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, nach denen die Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters beschränkt ist, wirken sich grds. wertmindernd aus (BGH vom 10.10.1979, BGHZ 75, 195; vgl. Gottschalk in T/G/J/G, § 5 Rn. 123 f. m. w. N.). Eine latente Einkommensteuerbelastung ist bei der güterrechtlichen Bewertung zu berücksichtigen (BGH vom 02.02.2011, NJW 2011, 2572), nicht aber bei der Ermittlung des Steuerwertes gem. § 5 Abs. 1 Satz 5 (Gottschalk in T/G/J/G, § 5 Rn. 246 m. w. N.).
Da sich in der familien- und erbrechtlichen Rspr. umfangreiche Vorgaben entwickelt haben, die bei der Ermittlung von Ausgleichs- und Auseinandersetzungsansprüchen zu beachten sind, wurde am 06.04.2016 vom Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft des IDW der Bewertungsstandard "Besonderheiten bei der Unternehmensbewertung zur Bestimmung von Ansprüchen im Familien- und Erbrecht" (IDW S 13) verabschiedet. Danach ist für die Ermittlung des Ausgleichs- oder Auseinandersetzungsanspruchs eine zweistufige Vorgehensweise erforderlich. Auf der ersten Stufe ist der objektivierte Unternehmenswert zu ermitteln, wobei der sachgerechte Umgang mit den personenbezogenen Faktoren im Fokus steht. Auf der zweiten Stufe erfolgt die Überleitung zum Ausgleichs- oder Auseinandersetzungsanspruch. Dieser Schritt beinhaltet insb. die Berücksichtigung latenter Ertragsteuern, das Vorhandensein von Abfindungsklauseln im Gesellschaftsvertrag sowie die eingeschränkte Verwertbarkeit von Anteilen (vgl. hierzu Ballhorn/König, BB 2015, 1899 ff.). Einer unmittelbaren Anwendung des Bewertungsstandards für steuerliche Zwecke dürften jedoch § 9 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 BewG entgegenstehen (vgl. im Ergebnis auch Riedel in D/H/R, Anhang zu § 11 Abs. 2 BewG Rn. 112).
Rz. 26
Die nominelle Geldentwertung ist bei der Ermittlung der Anfangs- und Endvermögen zu berücksichtigen, vor allem weil die Vermögenswerte zu unterschiedlichen Zeitpunkten bewertet werden müssen (s. Rn. 6). Würde es nicht zu der Berücksichtigung der unterschiedlichen Geldwerte kommen, wäre bei sinkendem Geldwert ein nur scheinbarer Zugewinn dem Zugewinnausgleich unterworfen und bei steigendem Geldwert ein etwaiger Zugewinn möglicherweise nicht berücksichtigt. Nach der Rspr. des BGH (BGH vom 20.05.1987, BGHZ 101, 65) und des BFH (BFH vom 27.06.2007, BStBl II 2007, 783) ist der nur scheinbare Zugewinn nicht auszugleichen, die Geldentwertung muss berücksichtigt werden. Die FinVerw hat für Erwerbe vor dem 31.12.1998 – womöglich aus Vereinfachungsgründen – gebilligt, dass von einer Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes abgesehen werden konnte. Ab dem 01.01.1999 ist der Kaufkraftschwund allerdings stets zu berücksichtigen (Tz. 2.1 Buchst. c. des Einführungserlasses vom 10.03.1976, BStBl I 1976, 145; R E 5.1 Abs. 2 Satz 5 ErbStR; H E 5.1 Abs. 2 ErbStH; BMF vom 29.01.2021, DStR 2021, 482; vgl. Viskorf in V/S/W, § 5 Rn. 24; Gottschalk in T/G/...