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Bis zum ErbStRG (2009) konnten Nießbrauchs- und Rentenlasten zugunsten des Übertragenden bzw. dessen Ehegatten nicht bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Zuwendung abgezogen werden, sondern die für diese Belastungen entfallende Steuer wurde gestundet (s. § 25 ErbStG a. F.). In diesen Fällen ist umstritten, ob der Erwerb nur um die sofort fällige Steuer oder auch um den Ablösebetrag der gestundeten Steuer zu erhöhen sei, wenn diese nicht abgelöst wird. Der BFH vertritt die Ansicht, in diesem Fall sei der Erwerb auf jeden Fall auch um den Ablösebetrag der zu stundenden Steuer zu erhöhen (s. BFH vom 16.01.2002, BStBl II 2002, 316 obiter dictum, da in dem entschiedenen Fall der Schenker die Steuer abgelöst hatte). Dieser Auffassung hat sich die Finanzverwaltung angeschlossen (s. H 25 ErbStH 2003). Meincke (§ 10 Rn. 26, alte Auflagen) vertrat hingegen die Ansicht, in diesen Fällen erhöhe allein die sofort zu zahlende Steuer den Erwerb, da der Erwerber die gestundete Steuer beim Tod des Schenkers bzw. des Ehegatten selbst entrichten müsse. Bei näherer Betrachtung ist dies in erster Linie eine Frage der Auslegung des Schenkungsvertrages. Ergibt sich aus diesem, dass der Schenker nur die sofort fällige Steuer übernehmen will, nicht aber die später fällig werdende Steuer von seinen Erben getragen werden soll, so ist der Lösung von Meincke zu folgen und nur die sofort fällige Steuer dem Erwerb hinzuzurechnen. Dies ergibt sich schon daraus, dass auch in dieser Konstellation das Bereicherungsprinzip gilt (s. BFH vom 16.01.2002, BStBl II 2002, 316). Muss der Beschenkte aber die gestundete Steuer zu einem späteren Zeitpunkt selbst tragen, so ist er eben insofern nicht bereichert. Zu prüfen ist stets, ob diese Frage im Schenkungsvertrag selbst ausdrücklich geregelt war. Fehlt eine solche Regelung, so erscheint es sachgerecht, im Regelfall davon auszugehen, dass nur die sofort fällige Steuer übernommen werden sollte.
Klarheit bzgl. offener Fragen zu § 25 ErbStG a. F. brachte das BFH-Urteil vom 20.05.2014 (DStR 2014, 1919; s. auch Kindler, SteuK 2014, 481). Die Leitsätze lauten:
Der vorzeitige unentgeltliche Verzicht auf ein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht erfüllt als Rechtsverzicht den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Eine Doppelerfassung des Nießbrauchsrechts – sowohl bei der Nichtberücksichtigung als Abzugsposten nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a. F. oder nach § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG a. F. als auch beim späteren Verzicht des Berechtigten – ist bei der Besteuerung des Nießbrauchsverzichts durch den Abzug des bei der Besteuerung des Erwerbs des nießbrauchsbelasteten Gegenstandes tatsächlich unberücksichtigt gebliebenen (Steuer-)Werts des Nutzungsrechts von der Bemessungsgrundlage (Steuerwert) für den Rechtsverzicht zu beseitigen.
Die Thematik dürfte künftig eine immer geringere Bedeutung haben.