Rz. 34
Nach § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG haften andere Gewahrsamsinhaber wie Banken, Testamentsvollstrecker oder Nachlasspfleger oder -verwalter entsprechend. Zu den anderen Gewahrsamsinhabern können auch Rechtsanwälte, Steuerberater, Notare oder sonstige Treuhänder gehören, sofern sie einen haftungsbegründenden Gewahrsam am Nachlassvermögen oder eines Teils daran haben. Systematisch wird dem Gewahrsamsinhaber durch die Haftungsbegründung nach § 20 Abs. 6 ErbStG eine Art Garantenstellung zugemutet, die bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung zur Haftungsfolge führt. Der Gewahrsamsinhaber hat die Herausgabe des Nachlassvermögens zu verweigern, wenn die Verfügung über den Nachlass den Steueranspruch gefährden würde (s. BFH vom 18.07.2007, BFH/NV 2007, 2016).
Rz. 35
Ein entsprechender Gewahrsam ist immer dann gegeben, wenn die Möglichkeit der tatsächlichen Einwirkung auf das Vermögen gegeben ist (s. Richter/Fischer in V/S/W, § 20 Rn. 28; Schmidt, ZEV 2003, 129, 131). Der Haftungstatbestand nach § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG gilt allerdings nur in Erbfällen, also bei Erwerben von Todes wegen, da ausdrücklich das "Vermögen des Erblassers" aufgeführt ist. Zudem ist ein Verschulden in Form von Vorsatz oder Fahrlässigkeit für die Haftungsbegründung erforderlich. Dazu gehört neben der Kenntnis vom Tod – des z. B. Kontoinhabers – auch die Kenntnis von der Auszahlung oder Zurverfügungstellung des Betrages aus dem Nachlassvermögen an einen im Ausland wohnenden Berechtigten.
Rz. 36
Nicht schuldhaft handelt, wer unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Schulden des Erblassers, die nicht verjährt sind, begleicht (s. Gebel in T/G/J/G, § 20 Rn. 66). Der Haftungsbegründung kann in Zweifelsfällen entgegengewirkt werden, indem vor einer Leistung an den Dritten eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung für die Auszahlung beim Finanzamt eingeholt wird (s. Geck in K/E, § 20 Rn. 36). Hierbei sind jedoch die genauen Umstände des Einzelfalles entscheidend. So darf der unter Berücksichtigung der Unbedenklichkeitsbescheinigung für mögliche Erbschaftsteuerzwecke zurückzubehaltende Betrag durch das Kreditinstitut auch nicht zur Befriedigung sonstiger öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Rückforderungsansprüche gemindert werden. Dies kann z. B. bei Erstattung von durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Unkenntnis vom Ableben eines Rentenberechtigten zu viel geleisteter monatlicher Rentenbeträge vom Restbetrag des Guthabens beim Kreditinstitut der Fall sein. Vor der Erstattung ist also eine – im Zweifel erneute – steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung vom Finanzamt einzuholen. Etwas anders gelagert ist der Fall, wenn zwar eine solche Unbedenklichkeitsbescheinigung vorliegt, der Rückforderungsanspruch jedoch erst danach und auch nach Auszahlung des vom Finanzamt als unbedenklich eingestuften Teils geltend gemacht wird und die Bank sodann – vor Befriedigung des Finanzamtes – aus dem Restguthaben erst den Rückforderungsanspruch befriedigt mit dem Ergebnis, dass der verbleibende Betrag die Steuerforderung nicht deckt. Der BFH hat dazu entschieden, dass der Rückforderungsanspruch aus § 118 Abs. 3 SGB VI des Rentenversicherungsträgers entweder beim Antrag auf steuerliche Unbedenklichkeitsentscheidung beim Finanzamt oder aber vor der Auszahlung des Restbetrages an den Dritten hätte durch die Bank Berücksichtigung finden müssen. Dabei sei es unerheblich, ob der Rückforderungsanspruch aus § 118 Abs. 3 SGB VI für nach dem Tod aus Unkenntnis des Ablebens des Rentenberechtigten noch auf dessen Konto geleistete Zahlungen vom Rentenversicherungsträger bereits geltend gemacht worden sei; die Bank hätte vielmehr das Konto entsprechend überprüfen und diese Schlussfolgerung einer zu erwartenden Rückforderung berücksichtigen müssen. Ließe sie dies außer Acht, handele sie bei der Auszahlung an den Dritten fahrlässig mit der Folge, dass eine Haftung für Erbschaftsteuerschulden nach § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG eingreife (s. BFH vom 18.07.2007, BB 2007, 2051; anders noch s. FG Niedersachsen vom 20.01.2006, ZEV 2007, 234).
Umgekehrt haftet ein Kreditinstitut oder ein Versicherungsunternehmen auch nicht dafür, wenn es wegen eines Auslandsbezugs in einem Erbfall vor der Auszahlung von Beträgen zunächst eine Unbedenklichkeitsbescheinigung anfordert, auch wenn diese durch die Finanzbehörden aus welchen Gründen auch immer (z. B. weil kein steuerbarer Vorgang vorliege) später nicht erteilt wird. Selbst für in der Zwischenzeit bis zu der nach Ablehnung erfolgten Auszahlung erlittene Zins- oder Liquiditätsverluste wird dann nicht gehaftet (vgl. LG Köln vom 10.05.2010, 26 O 81/09).
Rz. 37
Die Haftung inländischer Kreditinstitute wird auch nicht durch Erwerbe von Todes wegen aus Verträgen zugunsten Dritter gemindert. So haftet ein inländisches Kreditinstitut bis zur Höhe des ausgezahlten Betrages für die Erbschaftsteuer auf den gesamten dem Erben angefallenen Erwerb von Todes wegen einschließlich der Erwerbe aufgrund von Verträgen zuguns...