Rz. 34
Schenkungen und unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten bzw. Lebenspartnern unterliegen grds. bei Ausführung zu Lebzeiten der Schenkungsteuer (s. § 7 Rn. 59). Werden diese Schenkungen und Zuwendungen dann aber auf die Zugewinnausgleichsforderung angerechnet (§ 1380 Abs. 1 BGB), muss es zur Wirksamkeit der Regelungen des § 5 ErbStG (Steuerfreiheit des Zugewinnausgleichs) zu einem rückwirkenden Erlöschen der Steuer kommen. Dies sieht das Gesetz in § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG vor. Diese Regelung gilt sowohl in den Fällen des § 5 Abs. 1 ErbStG, als auch in denen des § 5 Abs. 2 ErbStG, was der Gesetzgeber i. R.d. Erbschaftsteuerreform 2009 in § 29 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG ausdrücklich festgeschrieben hat (früher R 11 Abs. 6 ErbStR 2003; vgl. jetzt R E 5.1 Abs. 6 Satz 2 ErbStR). Selbst eine bestandskräftig festgesetzte Steuer erlischt mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit die Schenkungen und Zuwendungen auf die Zugewinnausgleichsforderung angerechnet worden sind oder zumindest zur Anrechnung bestimmt worden sind (vgl. Viskorf in V/S/W, § 5 Rn. 31; Weinmann in M/W, § 5 Rn. 32; Gottschalk in T/G/J/G, § 5 Rn. 9; FG Köln vom 18.01.2018, EFG 2018, 1584 (rkr.); s. § 29 Rn. 65 ff.). Ggf. kann die gesetzliche Vermutung des § 1380 Abs. 1 Satz 2 BGB eingreifen. Hieraus kann sich erhebliches Gestaltungspotenzial durch den Einsatz einer Güterstandsschaukel ergeben (s. Rn. 52 ff.), wenn sich Vermögensverschiebungen zwischen Ehegatten nachträglich als steuerbar herausstellen (vgl. Wefers/Carlé, ErbStB 2013, 55). Umstritten ist, ob im Fall der Nichtdeklaration einer zunächst stpfl. Schenkung bei Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG auch eine Strafbarkeit gem. § 370 AO rückwirkend entfallen kann (vgl. Cornelius/Niendorf, AO-StB 2019, 153, 158; Kamps/Stenert, DStR 2018, 2671 ff.; Wachter, BB 2018, 2204, 2207 ff.); dies soll jedenfalls nicht für Hinterziehungszinsen gelten (vgl. FG Hessen vom 07.05.2018, EFG 2018, 1253; Anm. Amann, DB 2018, 2404). Ein Erlöschen der Schenkungsteuer nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG dürfte auch dann möglich sein, wenn die Ehegatten zum Schenkungszeitpunkt in Gütertrennung lebten, jedoch rückwirkend eine Zugewinngemeinschaft begründet wird (vgl. hierzu Reich, ZEV 2011, 59). Die Anrechnung des Vorausempfangs nach § 1380 BGB hat ferner nicht zur Folge, dass der Gegenstand des Vorausempfangs als "an Erfüllung statt" hingegeben bzw. nachträglich als entgeltlich veräußert anzusehen ist (mit ggf. einkommensteuerlichen Folgen); der Schuldgrund des Vorausempfangs verbleibt unverändert (so auch Viskorf in V/S/W, § 5 Rn. 31 m. w. N.; Wachter, FR 2020, 841, 847).
Rz. 35
Die Wirkung des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG besteht im Ergebnis darin, dass die Steuer auf die frühere Zuwendung, die nunmehr der Anrechnung unterliegt, in vollem Umfang erlischt. Wenn aber die Zuwendung – wie z. B. bei Übertragung des Familienwohnheims nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG – steuerfrei war, kann es nicht zu einem späteren Erlöschen der Schenkungsteuer kommen (vgl. Gottschalk in T/G/J/G, § 5 Rn. 227). Dennoch sind diese Zuwendungen wie andere Vorausempfänge anzurechnen (vgl. Weinmann in M/W, § 5 Rn. 33; FG Köln vom 18.01.2018, EFG 2018, 1584 (rkr.)). Diese Anrechnung kann sich erbschaftsteuerlich nachteilig für den (überlebenden) Ehegatten auswirken (vgl. Götz in F/P/W, § 5 Rn. 102; ders., ZEV 2013, 74; ders., ErbStB 2013, 355). Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob die nachträgliche Anrechnung beim Zugewinnausgleich steuerlich insgesamt ein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstellt, mit der Folge, dass die anzurechnende Verfügung als von Anfang an entgeltlich anzusehen ist und daher nachträglich ertragsteuerliche Konsequenzen z. B. gem. §§ 17, 20 Abs. 2 oder 23 EStG ausgelöst werden können (abl. FG Münster vom 13.11.2009, EFG 2010, 646; wohl auch BFH vom 24.01.2012, BStBl II 2013, 363; vgl. auch v. Oertzen/Cornelius, ErbStB 2005, 349, 354; Stein, DStR 2012, 1734 ff. m. w. N.; Blusz, ZEV 2016, 626, 630).
Rz. 36
Der Umfang der Erstattung auf Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG richtet sich nach dem Betrag, der nach § 1380 BGB der Anrechnung auf den vorläufigen Ausgleichsanspruch unterliegt. Wenngleich nicht abschließend geklärt, sollte § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG auch bei über den Zugewinnausgleichsanspruch hinausgehenden Vorausempfängen gelten (FG Köln vom 18.01.2018, EFG 2018, 1584; Viskorf in V/S/W, § 5 Rn. 31; hierzu auch Lindenau, ZEV 2018, 636; Mack/Stenert, DStR 2017, 2645 ff.).
In den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ist die Regelung des § 29 Abs. 2 ErbStG (Besteuerung des Erwerbers wie ein Nießbraucher, wenn ihm für die Zeit vor der Anrechnung die Nutzungen zugestanden haben) nicht anwendbar (vgl. auch R E 5.1 Abs. 6 Satz 3 ErbStR). Für die gesonderte Besteuerung der Nutzungsmöglichkeit wie ein Nießbraucher besteht in diesem Fall kein Grund, weil die Sache nicht tatsächlich zurückgegeben wird. Stattdessen wird nur die zunächst nicht mögliche Einbeziehung in den Zugewinnausgleich nachgeholt...