Rz. 77
Während § 121 Nr. 1 bis 8 BewG explizit aufzählt, unter welchen Tatbestandsmerkmalen steuerpflichtiges Inlandsvermögen eines beschränkt Steuerpflichtigen vorliegt, stellt § 121 Nr. 9 BewG einen Auffangtatbestand dar. Demnach erfasst § 121 Nr. 9 BewG Nutzungsrechte (ausschließlich) am zuvor definierten Inlandsvermögen. Dabei spielt es keine Rolle, von welcher (zivil-)rechtlichen Qualität das Nutzungsrecht ist, sondern es kommt nur darauf an, dass das Nutzungsrecht an einem nach § 121 BewG als Inlandsvermögen definierten WG besteht. Unerheblich ist zudem, ob der Vermögensgegenstand, an dem das Recht besteht, dem Gesamtvermögen eines unbeschränkt Steuerpflichtigen oder dem Inlandsvermögen eines beschränkt Steuerpflichtigen zuzurechnen ist. In Betracht kommen insb. dingliche Nutzungsrechte wie z. B. der Nießbrauch (§ 1030 BGB) oder die beschränkt persönliche Dienstbarkeit wie das Wohnrecht (§ 1093 BGB), unabhängig davon, ob die Nutzungsrechte nach deutschem oder ausländischem Recht begründet worden sind.
Zweck dieser Vorschrift ist gemäß der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 6/3418, 106) die Verhinderung eines steuerpflichtigen Vorgangs, indem statt der Übertragung eines WG i. S. d. § 121 Nr. 1 bis 8 BewG lediglich ein Nutzungsrecht an diesem eingeräumt wird. Infolgedessen ist es zwingende Voraussetzung, dass das WG, an dem ein Nutzungsrecht bestellt wird, unter den Katalog des § 121 Nr. 1 bis 8 BewG zu subsumieren ist (R E 2.2 Abs. 6 Satz 1 ErbStR); ansonsten liegt kein steuerpflichtiges Inlandsvermögen vor.
Rz. 78
Der Nießbrauch (dinglich oder obligatorisch) stellt einen der wichtigsten praktischen Anwendungsbereiche dar: Besteht der Nießbrauch zugunsten eines beschränkt Steuerpflichtigen an einem inländischen BV/Gewerbebetrieb, so liegt stets steuerpflichtiges Inlandsvermögen vor. Wurde der Nießbrauch hingegen an einem Anteil an einer inländischen KapG eingeräumt, so liegt nur dann steuerpflichtiges Inlandsvermögen vor, wenn der Anteil selbst mindestens 10 % des Nennkapitals umfasst – denn nur in diesem Fall wird der Anteil an einer inländischen KapG als steuerpflichtiges Inlandsvermögen definiert (vgl. R E 2.2 Abs. 6 Satz 2 ErbStR). Wird der Nießbrauch an einer Vermögensmasse oder Forderung eingeräumt, so liegt nur insoweit steuerpflichtiges Inlandsvermögen in Form des Nießbrauchs vor, als die Vermögensmasse bzw. die Forderung grundpfandrechtlich besichert ist. Demzufolge unterliegt der Nießbrauch an einem inländischen Wertpapierdepot regelmäßig nicht dem steuerpflichtigen Inlandsvermögen als Nutzungsrecht i. S. d. § 121 Nr. 9 BewG.
Rz. 79
Ein Erbbaurecht stellt zwar ein Nutzungsrecht an einem Grundstück dar, gilt bewertungsrechtlich jedoch als Grundstück des Erbbauberechtigten (§ 92 Abs. 1 Satz 1 BewG). Demgemäß fällt das inländische Erbbaurecht als Grundvermögen bereits unter das steuerpflichtige Inlandsvermögen nach § 121 Nr. 2 BewG. Rentenrechte oder Rechte auf wiederkehrende Leistungen sind ebenfalls nicht vom Anwendungsbereich der Nr. 9 umfasst. Sie können nur zum Inlandsvermögen zählen, wenn sie durch inländischen Grundbesitz oder gleichgestellte Sicherungsgegenstände dinglich im Inland gesichert sind (§ 121 Nr. 7 BewG).
Rz. 80
Sind die zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter vom Katalog des § 121 Nr. 1 bis 8 BewG erfasst, jedoch aufgrund einer Vorschrift in §§ 13 ff. ErbStG (teilweise) von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit, so soll dies keinen Einfluss auf die Steuerpflicht des an ihnen bestellten Nutzungsrechts haben (vgl. BFH vom 31.05.1957, BStBl III 1957, 242; zustimmend Viskorf in V/S/W, § 121 Rn. 26). Da der § 121 Nr. 9 BewG jedoch als Auffangtatbestand dienen soll, welcher die Umgehung der Steuerpflicht durch die ausschließliche Einräumung eines Nutzungsrechts am WG verhindern will, ist diese Auffassung abzulehnen (ebenso K/S/S, § 121 Rz. 54; Dötsch in S/L, § 121 Rz. 501; zweifelnd auch Eisele in R/T, § 121 Rz. 45).
Rz. 81
Die Bewertung des Nutzungsrechts erfolgt gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. den §§ 13 bis 16 BewG mit dem Kapitalwert; dabei ist die Begrenzung des Jahreswerts der Nutzungen gemäß § 16 Abs. 1 BewG zu beachten.