Rz. 33
"Der gemeine Wert des Anteils an einer KapG. ist in den Fällen des § 11 Abs. 2 S. 2 ff. BewG in zwei Stufen zu ermitteln. Zunächst wird nach § 11 Abs. 2 BewG der gemeine Wert des BV der KapG ermittelt. In einer zweiten Stufe wird er nach dem Verhältnis des übergegangenen oder übertragenen Anteils am Nennkapital (Grund- oder Stammkapital) der Gesellschaft zum gemeinen Wert des BV der KapG im Bewertungsstichtag aufgeteilt" (Gesetzesbegründung zu § 97 Abs. 1b BewG, BT-Drs. 16/11107, 13). Nach dem Grundprinzip des § 97 Abs. 1b Satz 1 BewG bestimmt sich also der gemeine Wert eines Anteils an einer in § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG genannten KapG nach dem Verhältnis des zu bewertenden Anteils am Nennkapital (Grund- oder Stammkapital) der Gesellschaft zum gemeinen Wert des Betriebsvermögens der KapG insgesamt am Bewertungsstichtag (siehe die beiden Beispielsrechnungen in H 97.6 ErbStR). Dies gilt auch, wenn das Nennkapital noch nicht vollständig eingezahlt ist (§ 97 Abs. 1b Satz 2 BewG), selbst wenn nicht mit der Einzahlung des Restkapitals zu rechnen ist (s. R B 97.6 Abs. 1 Satz 4 ErbStR), es sei denn, es besteht die gesellschaftsrechtliche Regelung, dass sich die Beteiligung am Vermögen und Ergebnis der Gesellschaft nach dem eingezahlten Nennkapital richtet; dann ist das Verhältnis des eingezahlten Nennkapitals zum BV relevant (§ 97 Abs. 1b Satz 3 BewG). Von der Gesellschaft gehaltene eigene Anteile sind bei der Ermittlung des Betrags des Nennkapitals als Minderung von numerischem Nennkapital abzuziehen (vgl. R B 97.6 Abs. 1 Satz 1, letzter HS ErbStR; Wälzholz in V/S/W, § 97 BewG Rz. 41 m. w. N.). Gleiches (Minderung des Betrags des Nennkapitals) gilt, wenn die Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile einer GmbH infolge einer Einziehung von Geschäftsanteilen (§ 34 GmbHG) am Bewertungsstichtag nicht mit dem Betrag des Stammkapitals übereinstimmt (s. H B 97.6 nach den Beispielrechnungen). Die Zahlung (oder Nichtzahlung) eines Agios hat keinen Einfluss auf die Aufteilung des gemeinen Werts des BV der KapG auf ihre Gesellschafter (vgl. Wälzholz in V/S/W, § 97 BewG Rz. 40 m. w. N.).
Rz. 34
§ 97 Abs. 1b Satz 4 BewG enthält eine weitere Ausnahmeregelung vom Nennkapital als Maßstab für die Aufteilung des gemeinen Werts des BV der KapG auf deren Gesellschafter. Danach sind vorbehaltlich des § 9 Abs. 2 und 3 BewG (Ausschluss der Berücksichtigung gewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse bei der Bewertung) gesellschaftsrechtliche Regelungen zu berücksichtigen, die sich auf den Wert des Anteils auswirken, wie insb. eine disquotale Gewinnverteilung (s. dazu FG Münster vom 20.05.2020, BeckRS 2020, 12722).
Mit der Formulierung "insbesondere" hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass weitere Ausnahmen möglich sind. Wegen des gleichzeitigen Verweises auf § 9 Abs. 2 und 3 BewG muss es sich um objektive Umstände handeln, die sich unmittelbar auf den zu bewertenden Anteil beziehen und im gewöhnlichen Geschäftsverkehr preisbeeinflussend sind (vgl. Kreutziger in K/S/S, § 97 Rz. 63a). Ein weiterer solcher unter § 97 Abs. 1b Satz 4 BewG fallender Ausnahmetatbestand ist eine vom Verhältnis des Anteils am Nennkapital abweichende Beteiligung am Liquidationserlös (vgl. gleichlautender Erlass vom 02.03.2016, BStBl I 2016, 246 sowie R B 97.6 Abs. 2 Satz 2 ErbStR). Verfügungsbeschränkungen sind keine unter § 97 Abs. 1b Satz 4 BewG fallenden Ausnahmen (vgl. Wälzholz in V/S/W, § 97 BewG Rz. 41 m. w. N.).