Rz. 73

Wollen Ehegatten ihr Vermögen beim Tod des Längstlebenden auf gemeinsame Abkömmlinge übergehen lassen, stehen zivilrechtlich folgende (Grund-)Gestaltungsmöglichkeiten, die sich von den (steuerlichen) Rechtsfolgen deutlich unterscheiden und je nach Intention der Erblasser unterschiedliche Akzentuierungen haben können, zur Verfügung.

 

Rz. 74

  • Berliner Testament

    Beim Berliner Testament setzen sich die Eheleute gegenseitig zu Erben ein und ordnen an, dass Erbe des Letztversterbenden ein Dritter – meist die Abkömmlinge – ist. In diesem Falle wird dem überlebenden Ehegatten, der das Vermögen des Erstversterbenden erbt, eine rechtlich starke Stellung eingeräumt. Er ist Vollerbe, aber kein Vorerbe und kann über das Vermögen des Erstverstorbenen beliebig verfügen. Eine Bindung besteht lediglich hinsichtlich der wechselseitigen Verfügungen von Todes wegen, die regelmäßig die Einsetzung der Abkömmlinge als Schlusserben (§ 2172 Abs. 1 Satz 1 BGB) zum Inhalt haben.

    Steuerlich wirkt sich der erste Erbfall noch günstig aus, da hohe Freibeträge geltend gemacht werden können (500.000 EUR, § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; 256.000 EUR, § 17 Abs. 1 ErbStG). Einzelheiten hierzu s. Rn. 79.

    Dem hingegen sind die Schlusserben (Abkömmlinge) wenig geschützt. Sie erben lediglich das, was nach dem Erbfall des Letztversterbenden noch vorhanden ist und haben daher nur eine tatsächliche, aber keine rechtlich geschützte Aussicht auf die Erbschaft nach dem Tode des Letztversterbenden. Auch steuerlich wirkt sich der Erbfall auf die Schlusserben regelmäßig nachteilig aus, da das Vermögen gebündelt auf sie übergeht, die Freibeträge (s. § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) i. H. v. 400.000 EUR jedoch nur einmal geltend gemacht werden können und hierdurch ein höherer Steuersatz zum Tragen kommen kann. Auch unterliegt das Vermögen des Erstversterbenden zwei vollen Erbgängen, bevor es auf die nächste Generation übertragen ist. Im Berliner Testament kann eine Strafklausel (sog. Jastrow’sche Klausel) für den Fall aufgenommen werden, dass die Abkömmlinge beim Erbfall des vorverstorbenen Ehegatten ihren Pflichtteil geltend machen.

 

Rz. 75

  • Vor- und Nacherbschaft

    Die Eheleute können gegenseitig den Letztversterbenden als Vorerben einsetzen und die Abkömmlinge als Nacherben. In diesem Fall ist die Stellung des Letztversterbenden (Vorerbe) schwächer ausgestaltet als beim Berliner Testament. Im Einzelnen kommt es darauf an, ob der Vorerbe als befreiter oder nicht befreiter Vorerbe eingesetzt wurde. Hinsichtlich der steuerlichen Folgen s. Rn. 28 ff. sowie s. Rn. 79.

 

Rz. 76

  • Nießbrauchsvermächtnis

    Beim Nießbrauchsvermächtnis setzen die Eheleute jeweils die Abkömmlinge als Vollerben des Erstversterbenden und des Längstlebenden ein und setzen sich gegenseitig ein Nießbrauchsvermächtnis am jeweiligen Nachlass aus.

    In diesem Fall ist der Letztversterbende lediglich Nießbraucher am Nachlass des Erstversterbenden. Die Abkömmlinge sind Vollerben. Hierbei ist die Stellung des Letztversterbenden am schwächsten ausgestaltet. Als Nießbraucher hat er allein die Nutzungs-, aber keine Verfügungsbefugnis und ist zur Substanzerhaltung verpflichtet (§§ 1036 Abs. 2, 1037 Abs. 1, 1041 BGB). Die schwache Stellung des Nießbrauchers kann allerdings dadurch gestärkt werden, dass er zugleich als Testamentsvollstrecker auf Lebenszeit eingesetzt wird, was ihm eine umfassende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis am Nachlass einräumt (§ 2255 BGB).

    Diese Regelung hat steuerlich den Vorteil, dass die Übertragung des Vermögens auf die nächste Generation in nur einem Erbgang stattfindet. Auch können bei dieser Gestaltung die Freibeträge am besten ausgenutzt werden und es besteht die Möglichkeit – nach Wegfall des § 25 ErbStG zum 01.01.2009 – den kapitalisierten Wert des Nießbrauchrechts bei den Erben (Abkömmlingen) als Abzugsposition geltend zu machen. Insbesondere dieser Punkt stellt einen steuerlich beträchtlichen Vorteil im Vergleich zu den beiden anderen Möglichkeiten dar. Die Abkömmlinge können des Weiteren die Freibeträge nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG geltend machen, der Nießbraucher den Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sowie den besonderen Versorgungsfreibetrag nach § 17 Abs. 1 ErbStG. Im Allgemeinen ist dieser Gestaltung unter steuerlichen Aspekten der Vorzug zu geben (s. Rn. 79).

 

Rz. 77

  • Gesetzliche Erbfolge

    Besteht kein Testament, tritt beim Erbfall des erstversterbenden Ehegatten die gesetzliche Erbfolge ein. Bei einer Familie mit zwei Kindern und Zugewinngemeinschaft erbt daher der verbleibende Ehegatte 1/2, die Abkömmlinge zusammen ebenfalls 1/2. Beim Erbfall des letztversterbenden Ehegatten erben die Abkömmlinge seinen gesamten Nachlass anteilig.

    Diese Gestaltung hat den Vorteil, dass zu Lebzeiten der Erblasser keine Regelungen treffen muss. Auch bedarf es zur Absicherung der Gestaltung keiner Pflichtteilsverzichte der Abkömmlinge oder etwaiger Strafklauseln. Soweit der letztversterbende Ehegatte erbt, bedarf es zur Übertragung auf die Abkömmlinge zweier Erbfälle, die beide besteuert werden. ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Preißer, Erbschaft- und Schenkungsteuer (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


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