Dr. Stefan Königer, Dennis Helwig
Rz. 48
Die Frage, ob sich § 13c Abs. 2 ErbStG auf Altfälle, d. h. auf Erwerbe, für die die Steuer vor dem 01.07.2016 entstanden ist, erstreckt, wurde in der Literatur zum Gesetzgebungsverfahren des ErbStRG kontrovers diskutiert. Nach h.A. in der Literatur gilt die Zusammenrechnung nicht für Altfälle, sondern erst für Erwerbe nach dem 30.06.2016 (Erkis, DStR 2016, 1441; Reich, BB 2016, 2647; Viskorf/Löcherbach/Jehle, DStR 2016, 2425; Wachter, FR 2016, 690). Grund für diese Ansicht ist die Anwendungsvorschrift des § 37 Abs. 12 Satz 3 ErbStG, wonach "§ 13c Absatz 2 Satz 3 bis 5 […] auf frühere Erwerbe Anwendung [findet], für die die Steuer nach dem 30. Juni 2016 entsteht". Mit der Anwendungsregelung ist nunmehr klargestellt, dass die Zusammenrechnung für Zwecke des § 13c ErbStG nur für Ersterwerbe nach dem 30.06.2016 gilt. Eine andere Auslegung wäre nicht mit der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 18/5923, 36) in Einklang zu bringen.
Rz. 49
Diese u. E. zutreffende Ansicht vertritt die FinVerw auch in den neuen ErbStR. Danach sollen die Alterwerbe nur bei der Prüfung des Schwellenwerts von 26 Mio. EUR berücksichtigt werden (R E 13c.4 Abs. 1 Satz 4 ErbStR). Auch hinsichtlich der in § 13c Abs. 2 Sätze 3 bis 5 ErbStG geregelten Rechtsfolgen der Zusammenrechnung stellt die FinVerw – im Einklang mit der Gesetzesbegründung – klar, dass ein Wegfall der gewährten Steuerbefreiung nur bei Erwerben nach dem 30.06.2016 eintritt (R E 13c.4 Abs. 1 Satz 5 ErbStR). Geck erwähnt zu Recht, dass eine andere Lösung eine verfassungswidrige echte Rückwirkung zur Folge hätte (Geck in K/E, § 13c Rz. 13.1).
Abwandlung des vorherigen Beispiels:
Sohn S erwirbt den väterlichen Betrieb i. R.d. vorweggenommenen Erbfolge (gemeiner Wert: 20 Mio. EUR) bereits im Jahr 2015 und beim Tod des Vaters V vier Jahre später das 30 %ige Aktienpaket (gemeiner Wert: 10 Mio. EUR). Beim Erwerb im Jahr 2015 wurde die Optionsverschonung gewählt (§ 13a Abs. 8 ErbStG a. F.).
Lösung:
Die Verschonung zu 100 % aus dem Jahr 2015 wird nicht gem. § 13c Abs. 2 Satz 3 ErbStG i. V. m. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO aufgehoben, R E 13c.4 Abs. 1 Satz 5 ErbStR. Der Erwerb im Jahr 2019 wird jedoch für Zwecke des § 13c ErbStG mit dem Erwerb aus dem Jahr 2015 zusammengerechnet (somit insgesamt 30 Mio. EUR begünstigtes Vermögen), so dass der Verschonungsabschlag für den Erwerb im Jahr 2019 gem. § 13c Abs. 2 Satz 2 ErbStG im Falle der Regelverschonung lediglich 80 % bzw. im Falle der Optionsverschonung lediglich 95 % beträgt.
Rz. 50
vorläufig frei