Dipl.-Kffr. Christina Vosseler, Francoise Dammertz
Rz. 22
Für die Bewertung der Anteile an einer gemeinnützigen GmbH ist das Ertragswertverfahren ebenfalls anwendbar. Die steuerliche Gewinnermittlung einer gemeinnützigen GmbH umfasst regelmäßig nicht den ideellen Bereich, die Vermögensverwaltung und den Zweckbetrieb. Deshalb hat die FinVerw erkannt, dass oftmals Zweifel an der Anwendbarkeit des vereinfachten Ertragswertverfahrens bestehen (Oberste FinBeh der Länder vom 9.10.2013, BStBl I 2013, 1362, DStR 2013, 2514, Tz. 3). Auch unter Berücksichtigung der gemeinnützigkeitsrechtlichen Beschränkungen bildet der Substanzwert (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BewG) den bewertungsrechtlichen Mindestwert.
Rz. 23
Im Zuge der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Wertermittlung sind die gemeinnützigkeitsrechtlichen Besonderheiten entsprechend zu würdigen. Dies betrifft insb. die Beschränkungen gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 AO, wonach die Gesellschafter keine Gewinnanteile oder sonstige Zuwendungen aus Mitteln der Körperschaft erhalten dürfen. Auch beim Ausscheiden oder bei Auflösung oder Aufhebung der privilegierten Körperschaft dürfen die Gesellschafter nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile und den gemeinen Wert ihrer geleisteten Sacheinlagen zurückerhalten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 AO).
Rz. 24
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben wählt die FinVerw den Weg über eine mehrstufige Bewertung der gemeinnützigen GmbH (vgl. dazu ausführlich Kirchhain/Lorenz, DStR 2014, 1941). Auf der ersten Stufe erfolgt eine Bewertung der Anteile nach dem gemeinen Wert ohne Berücksichtigung der gemeinnützigkeitsrechtlichen Beschränkungen; der Substanzwert bildet die Wertuntergrenze.
Rz. 25
Auf der zweiten Stufe werden die gemeinnützigkeitsrechtlichen Beschränkungen gewürdigt und als auflösend bedingte Last abgezogen. Nach § 7 Abs. 1 BewG ist die auflösend bedingte Last i. R.d. Veranlagung zunächst als unbedingte Last zu berücksichtigen. Die wertmäßige Höhe der abzuziehenden Last ermittelt sich als Differenz zwischen dem gemeinen Wert der erworbenen Anteile und dem Betrag, den der Erwerber ohne Verstoß gegen § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 AO zurückerhalten würde. Tritt die auflösende Bedingung später ein (vor allem, wenn ein Verstoß gegen die Beschränkungen gemäß § 55 AO vorliegt), ist die festgesetzte Erbschaftsteuer nach § 7 Abs. 2 BewG entsprechend zu korrigieren (DStR 2013, 2514, Tz. 8).
Rz. 26
Die Einhaltung der gemeinnützigkeitsrechtlichen Auflagen ist bis zum Eintritt der auflösenden Bedingung oder dem Ausscheiden des Gesellschafters aus der gemeinnützigen GmbH vom zuständigen Erbschaftsteuer-FA zu überwachen (DStR 2013, 2514, Tz.9).
Rz. 27
Sowohl die mehrstufige Bewertung als auch die permanente Überwachung überzeugen nicht. Der von der FinVerw vertretene Weg präsentiert sich vielmehr als pragmatischer Ansatz anstatt einer dogmatisch ausgereiften Lösung. Kirchhain/Lorenz (DStR 2014, 1941, 1947 ff.) führen insoweit zutreffend aus, dass die Möglichkeit der zeitlich unbegrenzten Überwachung durch die FinVerw jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt. Will der Gesetzgeber aus Gründen der Missbrauchsvermeidung die Möglichkeit einer nachträglichen Korrektur, so müsste er dies gesetzlich verankern, wie er es schon in Bezug die Steuerbefreiung bei der Erbschaftsteuer (§ 13 Abs. 1 Nr. 16b) ErbStG) getan hat (Hannes/von Oertzen, ZEV 2013, 670). Im Übrigen ist die mehrstufige Bewertung fragwürdig, da gemeinnützigkeitsrechtliche Beschränkungen mangels einer gegenüber Dritten zu erfüllenden Schuld keine auflösend bedingten Lasten darstellen (Kirchhain/Lorenz, DStR 2014, 1941, 1946 m. w. N.). Nach zutreffender Ansicht sind die Beschränkungen bereits i. R.d. Bewertung auf der ersten Stufe zu berücksichtigen (Hannes/von Oertzen, ZEV 2013, 669, 670).
Rz. 28
Beispiel (vgl. Mannek, NWB 2013, 3449):
Eine gemeinnützige GmbH betreibt ein Altenheim mit einem Stammkapital von 25.000 EUR. Zur Gesellschaft gehört eine Immobilie mit einem Wert i. H. v. 10 Mio. EUR. Es existiert kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Eine Ermittlung des Gewinns gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG liegt im engeren Sinne nicht vor. Die Mittelverwendungsrechnung zeigt, dass das Ergebnis der Gesellschaft bei 0 EUR liegt. Bei Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens würde der Wert der Gesellschaft wegen des fehlenden Jahresertrags bei 0 EUR liegen. Der Substanzwert i. H. v. 10 Mio. EUR bildet jedoch die Wertuntergrenze. Da der Gesellschafter bei Verkauf der Anteile oder einem Ausscheiden aus der Gesellschaft lediglich 25.000 EUR entnehmen könnte, muss auch nur dieser Betrag versteuert werden.
Lösung |
Bereicherung |
Stufe 1 (gemeiner Wert) |
10 Mio. EUR |
Stufe 2 (aufschiebend bedingte Last) |
./. 9,975 Mio. EUR |
Ergebnis |
25.000 EUR |
Rz. 29
vorläufig frei