Rz. 290

Nachdem der Erblasser – vom Entzug abgesehen – das Pflichtteilsrecht nicht durch letztwillige Verfügung aufheben kann, muss er versuchen, den Pflichtteilsberechtigten im Vorfeld zu einem Verzicht auf den Anspruch zu bewegen. Hierfür wird der Berechtigte eine Gegenleistung fordern. Während dieser Fall des antizipierten Pflichtteilsanspruchs nicht geregelt wurde, ist der Fall der Abfindung des bereits entstandenen Pflichtteilsanspruchs in § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG ausdrücklich geregelt.

 

Rz. 291

Für den präventiven Ausgleich kann die Antwort nur lauten: Mangels gesetzlicher Regelung liegt kein Erbschaftsteuertatbestand vor, da ein Pflichtteilsanspruch noch nicht entstanden ist. Eine Analogie zu § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG verbietet sich wegen fehlender Vergleichbarkeit ebenso wie eine extensive Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ("vermächtnisgleicher Erwerb"). Dessen ungeachtet unterliegt die Geldzahlung der Schenkungsteuer (s. § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG; Einzelheiten vgl. § 7 Rn. 616 ff.).

 

Rz. 292

Problematisch sind jedoch die "fehlerhaften" oder "falschen" Verzichtsverträge.

 
Praxis-Beispiel

Die Kinder des (künftigen) Erblassers schließen untereinander einen Vertrag, in dem eines der Kinder gegen Entgelt auf künftige Pflichtteilsansprüche verzichtet.

Lösung:

Mangels "Partnerfähigkeit" für einen Verzichtsvertrag (der Erblasser ist nicht beteiligt!) liegt kein wirksamer Verzichtsvertrag nach § 2346 BGB vor; folglich kommt auch § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG nicht zur Anwendung. Es liegt aber eine freigebige Zuwendung gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor, wonach der Empfänger der Zahlung bereichert ist, auch wenn er nur auf eine Vermögenschance verzichtet hat; dazu ausführlich s. § 7 Rn. 619 und 619a – auch zur Frage der Steuerklasse (nach BFH nunmehr: Erwerb nach Steuerklasse II).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Preißer, Erbschaft- und Schenkungsteuer (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?