Dr. Stefan Königer, Dennis Helwig
Rz. 55
Der Antrag auf Anwendung des Abschmelzungsmodells ist unwiderruflich und schließt einen Antrag auf Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG aus, § 13c Abs. 2 Satz 6 ErbStG. Daraus folgt, dass der Erwerber sich nach Stellung des Antrags auf Anwendung des Abschmelzungsmodells nicht mehr anders entscheiden kann, um stattdessen, weil dieser aufgrund neuer Erkenntnisse steuerlich ungünstig erscheint, für den Erwerb den Antrag auf Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG zu stellen.
Rz. 56
Es erscheint zunächst fraglich, ob die Unwiderruflichkeit des Antrags bereits unmittelbar nach dem Eingang des Antrags bei dem zuständigen Finanzamt eintritt oder ob der Erwerber zumindest innerhalb der Antragsfrist, d. h. bis zur materiellen Bestandskraft des Steuerbescheids, den Antrag noch widerrufen kann. Nach der wohl überwiegenden Literaturmeinung handelt es sich bei dem Antrag auf Anwendung des Abschmelzungsmodells um eine "absolute" Unwiderruflichkeit, d. h. ein einmal gestellter Antrag kann auch dann nicht mehr widerrufen werden, wenn die materielle Bestandskraft des Steuerbescheids noch nicht eingetreten ist (vgl. z. B. Stalleiken in vO/L, § 13c Rz. 16; Hannes/Holtz in M/H/H, § 13c Rz. 11). Dieser Ansicht ist zuzustimmen, da der Wortlaut des § 13c Abs. 2 Satz 6 ErbStG keinen Spielraum für eine anderweitige Auslegung zulässt (anders als bei der Verschonungsbedarfsprüfung, wo der Antrag bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft widerrufen werden kann, Hannes/Holtz in M/H/H, § 13c Rz. 11). Aus diesem Grund sollte in der Beratungspraxis vor Stellung des Antrags genauestens geprüft werden, ob das Abschmelzungsmodell gegenüber der Verschonungsbedarfsprüfung für den Steuerpflichtigen günstiger ausfällt (vgl. § 28a Rz. 24 ff. sowie Wachter in F/P/W, § 13c Rz. 55).
Rz. 57
In der Literatur wird zu Recht verstärkt darauf hingewiesen, dass die Unwiderruflichkeit des Antrags auf Anwendung des Abschmelzungsmodells zu einer sog. "Abschmelzungsfalle" führen kann (Stalleiken in vO/L, § 13c Rz. 16; Geck in K/E, § 13c Rz. 13.2; Reich, DStR 2017, 1858). Hintergrund der Abschmelzungsfalle ist die Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe begünstigten Vermögens von derselben Person gem. § 13c Abs. 2 Satz 2 ff. ErbStG. Hat ein Erwerber innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Letzterwerb bereits begünstigtes Vermögen von derselben Person erworben und für den früheren Erwerb den Antrag auf Anwendung des Abschmelzungsmodells gem. § 13c Abs. 1 Satz 1 ErbStG gestellt, so ist der Erwerber aufgrund der Unwiderruflichkeit an den Antrag gebunden, auch wenn die Zusammenrechnung mit dem Letzterwerb dazu führt, dass sich die Abschmelzung des Verschonungsabschlags erhöht oder die Grenze von 89,75 Mio. EUR bzw. 90 Mio. EUR überschritten wird und somit nicht nur für den Letzterwerb, sondern aufgrund von § 13c Abs. 2 Satz 3 ErbStG auch für den früheren Erwerb rückwirkend ein verringerter bzw. gar kein Verschonungsabschlag gewährt wird. Dies führt schlimmstenfalls zu einer ungehinderten Besteuerung des begünstigten Vermögens auch in Bezug auf den früheren Erwerb. Nach dem Wortlaut des § 13c Abs. 2 Satz 6 ErbStG steht es dem Erwerber für den Letzterwerb dagegen frei, ob er sich für das Abschmelzungsmodell oder für das Erlassmodell nach § 28a ErbStG entscheidet.
Rz. 58
Da sich insb. ein Nacherwerb innerhalb der Zehnjahresfrist von Todes wegen nicht "planen" lässt, ist der Steuerpflichtige besonders hart getroffen, wenn ein Antrag auf Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG für den früheren Erwerb im Nachhinein günstiger erscheint. Aus diesem Grund wird in der Literatur diskutiert, ob dem Steuerpflichtigen im Billigkeitswege die Möglichkeit der Antragstellung auf Anwendung des Erlassmodells für den früheren Erwerb gewährt werden soll, wenn dieses durch den Nacherwerb zu einer geringeren Steuerbelastung für den Erwerber führt (so z. B. Jülicher in T/G/J/G, § 13c Rz. 23; Geck in K/E, § 13c Rz. 13.2; Hamacher/Liebernickel in Erkis/Thonemann-Micker, § 13c Rz. 23; Thonemann-Micker, DStZ 2015, 518). Zwar spricht der Gesetzeswortlaut gegen eine solche Möglichkeit für den Steuerpflichtigen. Geck führt jedoch zutreffend aus, dass nach der Gesetzessystematik jeder Erwerber die Möglichkeiten haben soll, von den bestehenden Entlastungsmodellen zu profitieren und die Unwiderruflichkeit des Antrags für den Ersterwerb nur dann bestehen soll, wenn trotz des Nacherwerbs, z. B. aufgrund umfassenden Privatvermögens des Erwerbers, das Abschmelzungsmodell günstiger erscheint (Geck in K/E, § 13c Rz. 13.2). Wachter drückt sich dagegen etwas zurückhaltender aus und fordert zumindest für den Fall, dass durch den Nacherwerb die Grenze von 89,75 Mio. EUR bzw. 90 Mio. EUR überschritten wird und der Verschonungsabschlag vollständig entfällt, die Zulässigkeit eines Antrags auf das Erlassmodell für den früheren Erwerb (Wachter in F/P/W, § 13c Rz. 57).
Rz. 59
vorläufig frei