Witwer W (2 Kinder X und Y) wird in den letzten Jahren aufopferungsvoll von der Krankenschwester Martha M gepflegt. Sein Vertrauter B wird von W bevollmächtigt, nach seinem Tode ein Sparbuch – auf den Namen des W lautend – auf M umzuschreiben.
Lösung:
Im vorliegenden Sachverhalt stattet der Zuwendende (im Beispiel der Erblasser W) eine Mittelsperson (hier B) mit einer Vollmacht über den Tod hinaus aus (sog. "transmortale Vollmacht"). In der Praxis ist dies die formularmäßige Vollmachtserteilung an Banken oder Notare, kurz nach dem Tode die rechtsgeschäftlichen Voraussetzungen für die Überschreibung von Sparbüchern, Wertpapieren und dergleichen zu erbringen. Damit beginnt oftmals sofort nach dem Ableben des Schenkers der Wettlauf der Erben, die das Rechtsgeschäft noch widerrufen können, mit dem Vertreter, der die Willenserklärung des Erblassers zum Vertragspartner (i. d. R. die Banken) "transportiert". Sowohl die erbrechtliche als auch die steuerliche Beurteilung hängen in dieser Fallkonstellation davon ab, wer "schneller" war (Wettlauf zwischen Erben und Beschenkten). Gelingt den Erben der Widerruf vor Zugang der Offerte des B an die Bank, so steht ihnen als gesetzliche oder gewillkürte Erben das Sparbuchvermögen zu. Hat die Mittelsperson B hingegen rechtzeitig das Angebot übertragen, liegt eine nach dem Tod des W vollzogene Schenkung auf den Todesfall vor.
Kommt das von B übermittelte Vertragsangebot vor dem Widerruf (1. Alternative) von X und Y bei der Bank an, so hat M die Sparbücher von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG erworben, da der Vollzug nach dem Tode des Erblassers eintrat (aber s. Rn. 315 ff.).
Sind die Erben hingegen schneller (Widerruf vor übermitteltem Vertragsangebot, d. h. 2. Alternative), gehören die Sparbücher zur Gesamtbereicherung von X und Y gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Die geplante Schenkung (auf den Todesfall) "fiel ins Wasser".