Rz. 170
Erblasserschulden sind alle Schulden, die schon zu Lebzeiten des Erblassers entstanden waren, unabhängig von der Frage ihrer Fälligkeit. Im Einzelnen gilt Folgendes:
Rz. 171
Verpflichtungen aus schwebenden Verträgen können grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, da sich das Recht auf Leistung und die Verpflichtung zur Gegenleistung gleichwertig gegenüberstehen. Hat die Gegenseite bereits einen Teil ihrer Leistung erbracht, so ist eine entsprechende Zahlungs- oder Sachleistungspflicht als Erblasserschuld zu erfassen. Dies gilt grundsätzlich auch für Verpflichtungen aus Dauerschuldverhältnissen, so dass i. d. R. bei diesen nur Erfüllungsrückstände zu berücksichtigen sind. Insbesondere bei Mietverhältnissen ist jedoch zu beachten, dass der Sachleistungsanspruch auf Benutzung der gemieteten Räume für den Erben i. d. R. keinen wirtschaftlichen Wert hat. In diesem Fall ist daher ausnahmsweise nicht davon auszugehen, dass sich Leistung und Gegenleistung gleichwertig gegenüberstehen und damit saldieren, sondern die Mietzahlungsverpflichtung des Erblassers ist bis zum ersten möglichen Kündigungszeitpunkt zu berücksichtigen (s. Gebel in T/G/J/G, § 10 Rn. 128 m. w. N.; Hannes/Holtz in M/H/H, § 10 Rn. 42).
Rz. 172
Steuerschulden des Erblassers, soweit sie nicht mit Betriebsvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind zu berücksichtigen. Der Abzug der Steuern als Nachlassverbindlichkeiten setzt allerdings voraus, dass die Steuerschulden bei der Entstehung der Erbschafteuer (bei Eintritt des Erbfalls) rechtlich bestehen und dass diese zu diesem Stichtag eine wirtschaftliche Belastung darstellen (vgl. BFH vom 14.11.2007, BFH/NV 2008, 574 m. w. N.).
Maßgeblich ist mithin, ob die Einkommensteuerschulden aus Veranlagungszeiträumen stammen, die vor dem Todeszeitpunkt des Erblassers enden, denn diese sind nach § 36 i. V. m. § 25 Abs. 1 EStG mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres entstanden. Nicht entscheidend ist, dass diese zum Todeszeitpunkt bereits festgestellt waren. Es wird der materiell-rechtlich zutreffende Wert als Nachlassverbindlichkeit abgezogen. Entscheidend ist also, ob die Steuern zum Todestag entrichtet waren oder nicht.
Dies gilt nach den neuen Entscheidungen des BFH auch für die Steuerschulden aus dem Veranlagungsjahr des Todesjahres des Erblassers (s. Rn. 42 und RE 10.8 ErbStR).
Erstattungszinsen zählen zum stpfl. Erwerb, entsprechend sind Nachzahlungszinsen aus vergangenen Zeiträumen nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig.
Rz. 172a
Steuerberatungskosten, die den Erben für die Regelung der Steuerangelegenheiten des Erblassers entstehen, sind ebenfalls abzugsfähig; dies gilt auch, wenn alte Erklärungen des Erblassers geändert werden müssen.
Rz. 173
Sind Steuern hinterzogen worden, so kann der Erbe auch die Hinterziehungszinsen als Erbfallschulden abziehen (s. FG München vom 21.06.2006, EFG 2006, 1922 m. w. N.). Ein Abzug soll laut BFH allerdings dann ausscheiden, wenn auf Grund des Verhaltens sowohl des Erblassers als auch des Erben davon ausgegangen werden kann, dass das FA seine Forderung nicht geltend macht, weil es von den Steueransprüchen keine Kenntnis hat und ihm auch die nur theoretische Möglichkeit genommen ist, davon zu erfahren (s. BFH vom 24.03.1999, ZEV 1999, 503; BFH vom 14.12.2004, BFH/NV 2005, 1093). Zeigt der Erbe innerhalb der Dreimonatsfrist des § 30 Abs. 1 ErbStG dem Finanzamt den Sachverhalt so an, dass es Kenntnis von der vorangegangenen Steuerhinterziehung nehmen kann, so wird man nicht davon ausgehen können, dass er die Steuerschulden verheimlichen wollte und ein Abzug ist daher möglich.
Rz. 174
Die Selbstanzeigewelle in den Jahren 2014/2015 brachte das Problem der Abziehbarkeit von Beratungskosten i. V. m. Selbstanzeigen zum Vorschein (vgl. Viebrock/van Lück/Szrubarski, DStR 2015, 391). Wenn die Steuerhinterziehung des Erblassers nach dem Erwerb von Todes wegen durch die Erben erkannt wird, so sind sie gem. § 45 AO i. V. m. § 153 Abs. 1 Satz 2 AO verpflichtet, dies dem Finanzamt unverzüglich anzuzeigen und die vom Erblasser abgegebene Erklärung zu berichtigen. Die resultierenden Steuerschulden können vom Erben im Rahmen der Erbschaftsteuererklärung als Erblasserschulden abgezogen werden, soweit diese tatsächlich festgesetzt worden sind oder festgesetzt werden und der Erbe durch die Steuerfestsetzung wirtschaftlich belastet wird (vgl. Konrad in F/P/W, § 10 Rn. 134a). Eine hinterzogene Steuerschuld ist dann nicht abzugsfähig, wenn sie zu Lebzeiten des Erblassers keine wirtschaftliche Last darstellte, weil bei objektiver Würdigung von einer steuerlichen Erfassung durch die Finanzbehörde nicht auszugehen ist. Umgekehrt sind Steuerberatungskosten, die durch eine Hinterziehung von Erbschaftsteuer ausgelöst wurden, wegen des privaten Charakters nicht abziehbar.
Rz. 175
Bei Zusammenveranlagung von Ehegatten stellt sich zusätzlich das Problem, dass die Steuerschuld zwischen den beiden Ehegatten aufgeteilt werden muss. Grundsätzlich hat hier der überlebende Ehegatte das Recht, eine...