Rz. 220
Schließt der Erblasser bestimmte Erben, insb. seine Abkömmlinge, seinen Ehegatten und – falls sie gesetzliche Erben wären – auch seine Eltern, durch eine Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge aus, so haben diese das Recht, einen sog. Pflichtteil zu verlangen. Dieser beträgt die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (s. § 3 Rn. 272). Der Pflichtteilsanspruch richtet sich im Außenverhältnis stets gegen die Erben (s. § 2303 BGB), diese können die Belastung unter bestimmten Umständen im Innenverhältnis jedoch auf die Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigten abwälzen, sofern der Erblasser nicht etwas anderes bestimmt (s. §§ 2318, 2324 BGB). Eine Beschwerung mit dem Pflichtteil scheidet ferner ganz oder zum Teil aus, wenn der Erbe, Vermächtnisnehmer oder Auflagenbegünstigte selbst vom Grundsatz her pflichtteilsberechtigt ist und ihm durch die Beschwerung mit dem Pflichtteilsanspruch eines Dritten weniger als sein eigener Pflichtteil verbleiben würde (s. §§ 2318 Abs. 2 und 3, 2319 BGB). Da der Pflichtteilsanspruch und der Pflichtteilsergänzungsanspruch den Erwerb des Erben und ggf. auch des Vermächtnisnehmers schmälern, können diese die Verpflichtung aus dem erfüllten Pflichtteil gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG vom eigenen Erwerb abziehen. Der Pflichtteilsanspruch ist stets ein Geldanspruch und auch als ein solcher zu bewerten. Für die sich daraus ergebenden Probleme, wenn Teile des Vermögens steuerbefreit sind, s. Rn. 265.
Rz. 220a
Zahlungen des Beschenkten gem. § 2329 Abs. 2 BGB zur Abwendung des Herausgabeanspruchs eines Pflichtteilsberechtigten nach § 2329 Abs. 1 BGB führen nicht gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG zum Erlöschen der Erbschaftsteuer; sie sind jedoch gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 i. V. m. § 1 Abs. 2 ErbStG bei der Besteuerung der Schenkung erwerbsmindernd zu berücksichtigen (BFH vom 08.10.2003, BStBl II 2004, 234).
Rz. 221
Der sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch, der entsteht, wenn der Erblasser innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall Schenkungen an andere Personen oder während der Ehe an den Ehegatten Zuwendungen getätigt hat, sowie bei solchen Zuwendungen, die unter einer Nutzungs- oder Duldungsauflage wie einem Nießbrauchsrecht zugunsten des Zuwendenden standen (hierzu s. § 3 Rn. 276), richtet sich hingegen allein gegen den oder die Erben und kann von diesen nicht anteilig auf Vermächtnisnehmer oder Auflagenbegünstigte abgewälzt werden. Ist in diesem Fall der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt und würde ihm für den Fall der Erfüllung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs weniger als sein Pflichtteil einschließlich Pflichtteilsergänzungsanspruch verbleiben, so kann er die Ergänzung des Pflichtteils insoweit verweigern (s. § 2328 BGB). In diesem Fall kann der Pflichtteilsberechtigte vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes zur Befriedigung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs verlangen, der Beschenkte kann dies durch Zahlung auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch abwenden (s. § 2329 Abs. 1 und 2 BGB). In diesem Fall soll laut BFH ein Abzug bei der Ermittlung der Schenkungsteuer entsprechend § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG möglich sein. Die Grundsätze zur gemischten Schenkung bzw. Schenkung unter Leistungsauflage finden keine Anwendung (s. hierzu auch Anmerkung Meincke, ZEV 2004, 124). Ebenso abzugsfähig sollen die Aufwendungen sein, die ein Beschenkter macht, um ein Noterbrecht nach einem ausländischen Erbrecht abzuwenden. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das Noterbrecht einem Pflichtteilsergänzungsanspruch entspricht (s. BFH vom 11.05.2005, BFH/NV 2005, 2011).
Rz. 222
Pflichtteile können erst dann berücksichtigt werden, wenn sie auch geltend gemacht worden sind. Erforderlich hierzu ist nicht die Benennung einer konkreten Summe, es reicht, dass der Pflichtteilsberechtigte sein Verlangen gegenüber den Erben ernsthaft äußert und z. B. Auskunft zur Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs und seiner Bezifferung fordert (s. BFH vom 19.07.2006, BStBl II 2006, 718, s. § 9 Rn. 80 ff.). Dies ist auch der Zeitpunkt, zu dem der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsanspruch versteuern muss (s. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG). Das bloße Auskunftsbegehren ohne das Verlangen des Pflichtteils (d. h. ohne die Geltendmachung) führt noch nicht zur Abzugsfähigkeit beim Erben oder Steuerpflicht beim Pflichtteilsberechtigten.
Rz. 223
Pflichtteilsansprüche sind Geldansprüche. Wird der Pflichtteilsanspruch durch die Hingabe eines Grundstücks oder eines anderen Gegenstandes an Erfüllungs statt erfüllt, so hat dies keinen Einfluss auf die Höhe der Erbschaftsteuer (dazu auch s. § 3 Rn. 244 ff.). Sollte allerdings das hingegebene Grundstück wertvoller als der errechnete Pflichtteilsanspruch sein, dürfte eine stpfl. Schenkung des überschießenden Wertes durch den Grundstücksübertragenden an den Pflichtteilsberechtigten gegeben sein.
Die FinVerw lässt den Abzug der Pflichtteilsschulden nicht zu, soweit dieser auf steuerbefreiten Gegenständen beruht (s. Rn. 265).
Rz. 224
Problemat...