Dr. Stefan Königer, Dennis Helwig
Rz. 196
Wie auch bereits bei der Behaltensfrist für Betriebsvermögen nach Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 stellt gem. Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 HS 2 nicht nur die reine Veräußerung eine schädliche Verfügung über die begünstigt erworbenen Anteile dar, sondern auch der Veräußerung gleichgestellte Vorgänge. So stellt Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 HS 2 die verdeckte Einlage der begünstigt erworbenen Kapitalgesellschaftsanteile einer Veräußerung gleich. Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 HS 2 folgt damit der Qualifikation der verdeckten Einlage in eine Kapitalgesellschaft als veräußerungsgleichen Vorgang in § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG (Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 386). Eine verdeckte Einlage i. S. d. Vorschriften liegt dann vor, wenn die Anteile an der Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft ohne Gegenleistung eingebracht werden. Werden die Anteile hingegen in eine Personengesellschaft eingebracht, liegt mangels Erfassung durch den Wortlaut des Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 HS 2 keine schädliche verdeckte Einlage vor. Erhält der Erwerber für die Einlage der Kapitalgesellschaftsanteile zwar eine Gegenleistung, liegt diese aber unterhalb des Werts der eingelegten Anteile, so handelt es sich um eine gemischte verdeckte Einlage, die bis zur Höhe der Gegenleistung eine schädliche Veräußerung i. S. d. Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 HS 1 und im Übrigen eine verdeckte Einlage nach HS 2 darstellt (Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 386). Wie auch bei der Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile handelt es sich bei der verdeckten Einlage nicht um einen Vorgang nach Nr. 4, sondern nach Nr. 1, wenn die Kapitalgesellschaftsanteile im (Sonder-)Betriebsvermögen gehalten werden (Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 386).
Rz. 197
Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 enthält eine Aufzählung weiterer Vorgänge, die zwar anders als die verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft nicht einer Veräußerung der begünstigt erworbenen Kapitalgesellschaftsanteile gleichgestellt sind, aber dennoch für Zwecke der Behaltensfrist nach Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 einen schädlichen Vorgang darstellen. Ein solch schädlicher Vorgang liegt z. B. dann vor, wenn die Kapitalgesellschaft, an der die begünstigt erworbenen Anteile durch den Erwerber gehalten werden, innerhalb der Behaltensfrist aufgelöst wird (Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 HS 1 Alt. 1). Durch die Auflösung der Kapitalgesellschaft kommt es wie bei der Einziehung nach § 34 GmbHG (vgl. hierzu Rn. 195) zu einem Untergang der begünstigt erworbenen Kapitalgesellschaftsanteile. Da im Rahmen der Auflösung der Kapitalgesellschaft auch deren Geschäftsbetrieb untergeht, ist der Erwerber nicht mehr in der Lage, den durch die Begünstigungen nach §§ 13a, 13b angestrebten Zweck zu erfüllen, und die Qualifikation der Auflösung der Kapitalgesellschaft als schädlicher Vorgang i. S. d. Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 daher nur folgerichtig. Zwar kann auch bei Auflösung der Kapitalgesellschaft noch die Reinvestitionsregelung des Abs. 6 Satz 3 in Anspruch genommen und eine rückwirkende Besteuerung des Erwerbs abgewendet werden. Da der Liquidationserlös jedoch in der Regel erst später als sechs Monate nach dem Auflösungsbeschluss der Gesellschafterversammlung dem Erwerber zufließt und der Behaltensfristverstoß bereits im Zeitpunkt des Gesellschafterbeschlusses ausgelöst wird, dürfte sich eine entsprechende Reinvestition in der Praxis nur schwer umsetzen lassen (Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 387). Versucht der Erwerber dagegen, die insolvenzbedingte Auflösung über die Behaltensfrist hinauszuzögern, setzt er sich ggf. strafrechtlichen Risiken aus (Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 387).
Rz. 198
Auch die Herabsetzung des Nennkapitals stellt gem. Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 HS 1 Alt. 2 einen schädlichen Vorgang dar, wenn es sich dabei nicht nur um eine sanierungsbedingte nominelle Kapitalherabsetzung handelt und die Gesellschafter eine Kapitalrückzahlung erhalten (R E 13a.16 Abs. 2 ErbStR). Hat vor der Kapitalherabsetzung innerhalb der Behaltensfrist eine Kapitalerhöhung stattgefunden, sollte zugunsten des Steuerpflichtigen die Kapitalherabsetzung bis zur Höhe der vorangegangenen Kapitelerhöhung unschädlich sein, wenn sich die vermögensmäßige Beteiligung an der Kapitalgesellschaft im Vergleich zu dem Zeitpunkt unmittelbar nach dem Erwerb nicht verändert hat (Söffing in Wilms/Jochum, § 13a Rz. 200).
Rz. 199
Parallel zur Behaltensfrist nach Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 stellt auch im Rahmen der Kapitalgesellschaftsanteile die Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen der Kapitalgesellschaft nach Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 HS 1 Alt. 3 eine schädliche Verfügung dar, allerdings mit der Einschränkung, dass eine schädliche Verfügung nur bei einer anschließenden Verteilung des Vermögens, d. h. des Veräußerungserlöses, an die Gesellschafter vorliegt. In der Literatur wird deshalb auch von einer "Abschirmwirkung" der Kapitalgesellschaft hinsichtlich der Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen gesprochen (Gräfe, ZEV 2010, 601, 604; Dorn, ZEV 2015, 690, 694; von Oertzen/Schienke-Ohletz, ...