Ausgewählte Literaturhinweise:
Lüdicke, Gleichheitsgerechte Bewertung für die Erbschaftssteuer, FR 2013, 107; Olbrich/Hares/Pauly, Erbschaftsteuerreform und Unternehmensbewertung, DStR 2010, 1250; Raupach, Der Verkehrswert als alleiniger Bewertungsmaßstab für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, DStR 2007, 2037; Viskorf, Das Rechtsstaatsprinzip und der Wettstreit um den "richtigen" gemeinen Wert beim Betriebsvermögen, ZEV 2009, 591.
Ausgewählte Rechtsprechung:
EuGH vom 17.01.2008, DStRE 2008, 174;
BVerfG vom 07.11.2006, BStBl II 2007, 192.
1 Einführung
1.1 Zweck der Vorschrift
Rz. 1
Die i. R.d. ErbStRG vom 24.11.2008 neu gefasste Regelung erfüllt durch ihren Regelungsinhalt, dass BV bzw. der Anteil am BV i. S. d. §§ 95 bis 97 BewG mit dem gemeinen Wert anzusetzen ist und dieser nach § 11 Abs. 2 BewG zu ermitteln ist, zwei Funktionen. Zum einen wird dadurch die verfassungsrechtlich gebotene Bewertung zu dem in § 9 BewG definierten gemeinen Wert (s. dazu BVerfG vom 07.11.2006, 1 BvL 10/02, BStBl II 2007, 192) umgesetzt (Eisele in R/T, § 109 Rz. 1; Kreutziger/Jacobs in K/S/S, § 109 BewG Rz. 2). Infolge des ErbStRG gilt für alle Vermögensarten das Prinzip der Bewertung zum gemeinen Wert (vgl. § 11 Abs. 2 BewG für Anteile an KapG, § 31 BewG für ausländisches Sachvermögen, § 162 Abs. 1 BewG für land- und forstwirtschaftliches Vermögen, § 177 BewG für Grundvermögen). Zum anderen führt der Verweis auf § 11 Abs. 2 BewG i. V. m. § 199 Abs. 2 BewG zur (prinzipiell) rechtsformneutralen Bewertung von Unternehmen (Fehrenbacher in W/J, § 109 BewG Rz. 18).
1.2 Anwendungsbereich
1.2.1 Beschränkung des Anwendungsbereichs auf inländisches Betriebsvermögen
Rz. 2
§ 109 BewG betrifft nur die Bewertung inländischen BV. Ausländisches BV wird wegen § 2 Abs. 1 BewG von der Regelung nur erfasst, wenn es Teil eines inländischen BV und dabei als unselbstständiger Teil dieser wirtschaftlichen Einheit zu bewerten ist (vgl. Hofmann in V/S/W, § 31 BewG Rz. 3).
1.2.2 Die Bewertung von ausländischem Betriebsvermögen
Rz. 3
Für die Bewertung ausländischen BV gelten die §§ 12 Abs. 7 ErbStG, 31 BewG. Auch für das ausländische BV ist eine Bewertung zum gemeinen Wert i. S. d. § 9 BewG in § 31 BewG vorgegeben, allerdings nur mit einem Verweis auf den Ersten Teil des BewG, der die §§ 1 bis 16 BewG umfasst. § 31 BewG enthält für die Bewertung ausländischen BV also keine Anordnung der entsprechenden Anwendung der §§ 95 bis 109 und 199 ff. BewG. Im Hinblick auf den gleichen Bewertungsmaßstab (gemeiner Wert) wird teilweise vertreten, dass die Regelungen über das vereinfachte Ertragswertverfahren auch auf ausländisches BV angewendet werden können (vgl. R B 199.1 Abs. 2 und R B 199.2 Satz 2 ErbStR; Kreutziger in K/S/S, § 31 BewG Rz. 10; a. A. aufgrund des Wortlauts Hofmann in V/S/W, § 31 BewG Rz. 2 m. w. N.). Soweit eine analoge Anwendung der §§ 199 ff. BewG (vereinfachtes Ertragswertverfahren) ausgeschlossen wird, soll in Anlehnung an § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG eine anerkannte allgemein übliche Wertermittlungsmethode für die Bewertung der ausländischen BV angewendet werden können (vgl. Hofmann in V/S/W, § 31 BewG Rz. 3). Europarechtlich erscheint es nicht unproblematisch, dass für inländisches und ausländisches BV zwar der gleiche Wertmaßstab (gemeiner Wert), aber nicht die gleichen Vorschriften für die Wertermittlung bestehen (vgl. Fehrenbacher in W/J, § 109 BewG Rz. 28 und 64). Würde das zu einer höheren Bewertung von BV aus einem anderen EU-Staat gegenüber inländischem BV führen, dürfte eine unionsrechtlich unzulässige Benachteiligung (Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV, vgl. EuGH vom 17.01.2008, C-256/06, DStRE 2008, 174) vorliegen. Solange die FinVerw aber die entsprechende Anwendung der §§ 199 ff. BewG vertritt (vgl. R B 199.1 Abs. 2 und R B 199.2 Satz 2 ErbStR), dürfte der Meinungsstreit für die Unternehmensbewertung keine praktische Bedeutung haben. Bedeutung könnte die Frage hingegen bei der separaten Bewertung von Betriebsgrundstücken nach § 99 BewG haben. Denn in diesen Fällen werden typischerweise keine vergleichbaren Daten vorliegen, die eine Anwendung der im BewG vorgesehenen Bewertungsverfahren ermöglichen (wie z. B. Bodenrichtwerte und Liegenschaftszinsen). Typischerweise wird dadurch aber auch nicht die Darlegung einer Benachteiligung durch die Wertermittlung möglich sein.
2 Regelungsinhalt
2.1 Verweis auf die Vorschriften für den Wertmaßstab und die Wertermittlung
Rz. 4
§ 109 BewG enthält keinen eigenen Inhalt über die Bewertung des BV i. S. d. §§ 95 bis 97 BewG (Viskorf in V/S/W, Anm. zu § 109 BewG). Über die Verweise auf die §§ 9 (für den Wertmaßstab) und 11 Abs. 2 BewG sowie die Regelung in § 199 Abs. 2 BewG (für die Wertermittlung) kommen die inhaltlichen Vorgaben und Regularien zur Wertermittlung der §§ 11 Abs. 2, 199 ff. BewG zur Anwendung. Der Wert von BV ist dadurch unabhängig davon, ob es zu einem Personenunternehmen oder einer Kapitalgesellschaft gehört, nach den gleichen Wertermittlungsgrundsätzen zu ermitteln. Und es ist, anders als vor 2009, stets der gemeine Wert i. S. d. § 9 BewG zu ermitteln. Damit soll zum einen im vorgegebenen Verfahrensweg der Wert ermittelt werden, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG). Zum anderen sol...