Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
Ausgewählte Literaturhinweise:
Eisele, Erbschaftsteuerreform 2009, NWB 2009, 212; Eisele, Die ErbStR: Aktualisierung und Konkretisierung der Verwaltungsauffassung/Ausgewählte Einzelfragen zum Bewertungsrecht, NWB 2020, 628; Eisele, Steueränderungsgesetz 2015: Änderung des erbschaftsteuerlichen Bewertungsrechts/Verfahrensrechts, Betriebs- und Immobilienvermögen, NWB 2015, 3751; Mannek, Anteile an gemeinnützigen Kapitalgesellschaften bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer/Gleichlautende Erlasse vom 09.10.2013, NWB 2013, 3449.
1 Begriffsdefinitionen
Rz. 1
Wertpapiere sind Urkunden über ein privates Vermögensrecht, dessen Verwirklichung vom Besitz (Vorlage) der Urkunde (mit Legitimation) abhängig ist. Man unterteilt die Wertpapiere in sog. Forderungs- und Anteilspapiere. Forderungspapiere untergliedern sich in Wertpapiere des Zahlungsverkehrs bzw. Kapitalverkehrs.
Rz. 2
Anteile bezeichnen ein Mitgliedsrecht, welches neben Mitwirkungs- und Verwaltungsrechten (z. B. Stimmrecht, Auskunftsrecht) auch eine Beteiligung am Geschäftsvermögen und Gewinn eines Unternehmens (Vermögensrecht) zum Inhalt hat. Darunter fallen z. B. Aktien, GmbH-Anteile, Genossenschaftsanteile und Investmentzertifikate. Anteile können verbrieft (z. B. Aktien) oder nicht verbrieft (z. B. GmbH-Anteil) sein.
Private Wertpapiere und Anteile gehören zum übrigen Vermögen. Betriebliche Wertpapiere und Anteile sind dem BV zuzurechnen.
2 Bewertung im Allgemeinen
Rz. 3
Die Bewertungsregeln sind grds. in § 11 BewG enthalten, der aber nicht abschließend ist, da Wertpapiere als Kapitalforderungen mit dem Nennwert nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG bewertet werden müssen.
Rz. 4
Bei Anteilen an KapG ist zu beachten, dass sie mit dem gemeinen Wert angesetzt werden. Dabei ist vorrangig zu prüfen, ob ein Kurswert existiert (§ 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 11 Abs. 1 BewG, z. B. bei notierten Aktien), und wenn nicht, ob eine Ableitung aus Verkäufen möglich ist oder ob ein anderes Bewertungsverfahren durchgeführt werden muss (§ 12 Abs. 2 ErbStG i. V. m. § 11 Abs. 2 BewG).
Rz. 5
Die nachfolgende Übersicht zeigt die Bewertungsmaßstäbe für die unterschiedlichen Wertpapiere und Anteile:
Wertpapiere/Anteile |
Bewertung |
An einer deutschen Börse notierte Wertpapiere (z. B. Anleihen, Aktien oder Anteilsscheine) |
Kurswert (§ 11 Abs. 1 BewG, s. Rn. 6 ff.). Werden notierte festverzinsliche Wertpapiere übertragen, so sind auch die bis zum Besteuerungszeitpunkt angefallenen, aber noch nicht fälligen Stückzinsen mit dem Nennwert zu berücksichtigen (BFH vom 03.10.1984, BStBl II 1985, 73). Werden junge Aktien oder Vorzugsaktien nicht an der Börse eingeführt, ist der gemeine Wert aus dem Börsenkurs der Stammaktien abzuleiten. Entsprechend ist der gemeine Wert nicht notierter Stammaktien aus dem Börsenkurs der jungen Aktien oder Vorzugsaktien abzuleiten. Dabei ist die unterschiedliche Ausstattung durch Zu- oder Abschläge zu berücksichtigen (R B 11.1 Abs. 4 ErbStR). |
Anteile an KapG, für die es keinen Kurswert gibt (z. B. GmbH-Anteil) |
Gemeiner Wert (§ 12 Abs. 2 ErbStG i. V. m. § 11 Abs. 2 BewG, s. Rn. 15 ff.) |
Investmentzertifikate (Fonds), offene Immobilienfonds, Hedgefonds, Pensionsfonds, Medienfonds |
Rücknahmepreis (§ 11 Abs. 4 BewG i. V. m. R B 11.1 Abs. 5 ErbStR). Das ist der Betrag, für den ein Anteil von der Investmentgesellschaft bindend zurückgenommen wird. Er ergibt sich aus dem Inventarwert pro Anteil (Gesamtwert der im Vermögen eines Investmentfonds befindlichen Wertpapiere und Barmittel einschließlich eventueller Kassenbestände und sonstiger Vermögensgegenstände abzüglich Verkaufsspesen und Rücknahmekosten). Er wird i. d. R. in den Wirtschaftsteilen von Tageszeitungen veröffentlicht. Werden die Anteile an der Börse gehandelt, so ist der Kurswertansatz i. S. d. § 11 Abs. 1 BewG gegenüber dem Ansatz mit dem Rücknahmepreis vorrangig (R B 11.1 Abs. 5 erster Spiegelstrich ErbStR). Dies entspricht u. E. auch der gesetzgeberisch vorgegebenen Prüfungsfolge, da § 11 Abs. 1 vor Abs. 4 BewG zu prüfen ist. Die frühere Verwaltungsmeinung in R B 11.1 Abs. 5 ErbStR 2011, die auch für an der Börse gehandelte Anteilsscheine die Bewertung nach § 11 Abs. 4 BewG vorsah, konnte aufgrund des Urteils des FG Hessen vom 16.02.2016 (EFG 2016, 790) nicht mehr gehalten werden und wurde dementsprechend durch die ErbStR dem Urteil folgend angepasst. |
Wertpapiere des Zahlungsverkehrs und nicht notierte Wertpapiere des Kapitalverkehrs sowie Genossenschaftsanteile |
Grds. Nennwert (§ 12 Abs. 1 Satz 1 BewG i. V. m. R B 11.1 Abs. 2 Nr. 2 ErbStR). Zur Bewertung von Bundesschatzbriefen, Finanzierungsschätzen des Bundes und abgezinsten Sparbriefen s. R B 12.2 ErbStR. |
Genussscheine |
Entscheidend ist der Inhalt und die Ausgestaltung des Genussrechtes. Existiert ein Börsenkurs, so kommt dieser zum Ansatz. Ist das Wertpapier nicht notiert, wird mit dem Nennwert bewertet. Beinhaltet das Genussrecht (nur) das Recht auf einen bestimmten Anteil am jährlichen Gewinn, kommt wohl § 13 BewG zur Anwendung. |
Ausländische Wertpapiere |
Inländischer Telefonkurs/Vergleichskurswert Emissionsland (R B 11.1 ... |