Ausgewählter Literaturhinweis:
Wiegand, Die Neuregelung des erbschaftsteuerlichen Bewertungsrechts auf der Grundlage der künftigen Bewertungsverordnungen, ZEV 2008, 129.
Ausgewählte Rechtsprechung:
BFH vom 05.12.2019, BFH/NV 2020, 949;
BFH vom 30.01.2019, BStBl II 2019, 599;
BFH vom 27.09.2017, BStBl II 2018, 281;
BFH vom 26.10.2005, BFH/NV 2006, 552;
FG Baden-Württemberg vom 12.02.2020, EFG 2020, 1624;
FG Hamburg vom 27.10.2017, EFG 2018, 921;
FG Berlin-Brandenburg vom 10.06.2015, EFG 2015, 1593.
1 Bedeutung der Vorschrift
Rz. 1
Mit § 157 BewG beginnt der Sechste Abschnitt des BewG, in dem die Bewertung von Grundbesitzwerten, Anteilswerten und BV geregelt ist. Die Vorschrift ordnet die Wertfeststellung für inländischen Grundbesitz, für nicht notierte Anteile an KapG und für inländisches BV oder Anteile an inländischem BV für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer an und legt über die Bestimmung der jeweils anzuwendenden Regelungen die Bewertungsmethoden für die Ermittlung des gemeinen Werts der wirtschaftlichen Einheiten der verschiedenen Vermögensarten fest. Vor der eigentlichen Bewertung ist also zunächst eine Entscheidung über die Zuordnung des erworbenen Vermögens zu einer der Vermögensarten zu treffen. Dieser Zuordnung kommt eine erhebliche Bedeutung für die Bewertung und darüber hinaus, bspw. für die Verschonung nach §§ 13 ff., 19a, 28 und 28a ErbStG oder für die Wertermittlung des stpfl. Erwerbs zu. Kann ein Vermögensgegenstand keiner der genannten Vermögensarten zugeordnet werden, gelten für die Bewertung die allgemeinen Regelungen der §§ 1 bis 16 BewG. Ausländisches Vermögen wird gem. § 31 BewG i. V. m. § 12 Abs. 7 ErbStG ohne gesonderte Feststellung mit dem gemeinen Wert i. S. d. § 9 BewG bewertet.
Die Bewertung hat in Form einer gesonderten Feststellung i. S. d. §§ 151 ff. BewG zu erfolgen. Dies folgt zumindest für Grundbesitzwerte aus einem Verweis in § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG. Entsprechende Verweise für Anteile an KapG und BV fehlen jedoch in § 151 BewG. M. E. ist dennoch davon auszugehen, dass auch in diesen Fällen eine gesonderte Feststellung durchzuführen ist (ebenso Bock in V/S/W, § 157 Rn. 4).
2 Feststellung von Grundbesitzwerten
Rz. 2
Nach § 157 Abs. 1 Satz 1 BewG werden Grundbesitzwerte für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum jeweiligen Bewertungsstichtag festgestellt.
Für die Wertermittlung ist nach § 11 ErbStG regelmäßig der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer gem. § 9 ErbStG maßgebend. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bei Erwerben v.T.w. grds. mit dem Tod des EL, bei Schenkungen unter Lebenden gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit zivilrechtlich wirksamer Ausführung der Schenkung. Bewertungsstichtag ist demnach z. B. der Todestag des EL oder der Tag der Schenkung. Davon abweichend enthält § 9 ErbStG weitere Regelungen, die spezielle Zeitpunkte und damit andere Bewertungsstichtage bestimmen. Dies kann sich im Einzelfall erheblich auf die Bewertung und die Besteuerung auswirken.
E erbt von seinem Vater V Aktien verbunden mit einer Übertragungsauflage. Der Aktienwert beträgt am Todestag 1.000 EUR. Am Tag der Vollziehung der Übertragungsauflage sind die Aktien nur noch 200 EUR wert.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG entsteht die Steuer bei Erwerb v.T.w. in Fällen einer Übertragungsauflage erst mit dem Zeitpunkt der Vollziehung der Auflage. Der Wert der Aktien ist für Zwecke der Erbschaftsteuer also mit 200 EUR anzusetzen.
Die Bestimmung des Entstehungszeitpunkts der Erbschaft- und Schenkungsteuer zur Ermittlung des Bewertungsstichtags erfolgt durch das zuständige Erbschaftsteuer-FA. Dieses gibt dem zuständigen Feststellungs-FA den Bewertungsstichtag vor. Dies gilt entsprechend bei Bewertungen für grunderwerbsteuerliche Zwecke.
Wird der Grundbesitzwertbescheid auf einen unzutreffenden Stichtag erlassen, läuft er mangels Rechtsgrundlage ins Leere (BFH vom 26.10.2005, BFH/NV 2006, 552).
Rz. 3
Für die Wertermittlung des Grundbesitzes sind mithin die tatsächlichen Verhältnisse und die Wertverhältnisse am Bewertungsstichtag maßgebend. Der Begriff Grundbesitz wird in § 157 BewG allerdings nicht näher definiert. M. E. kann jedoch davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um Grundbesitz i. S. d. § 19 BewG handelt (s. a. § 12 Abs. 3 ErbStG, der auf die gesonderte Feststellung für Grundbesitzwerte verweist).
Unter tatsächlichen Verhältnissen sind alle gegenständlichen und rechtlichen Umständen am Bewertungsstichtag zu verstehen. Werden tatsächliche Verhältnisse erst später bekannt, können sie ggf. rückwirkend, bspw. i. R. d. Änderung nach § 173 AO berücksichtigt werden. Dies gilt nicht für erst später eingetretene Änderungen. Daneben entsprechen die Wertverhältnisse den wirtschaftlichen Verhältnissen, welche sich auch im allgemeinen Markt- und Preisniveau niederschlagen.
Da in § 157 BewG nicht mehr Bezug auf die Abrundungsvorschrift des § 139 BewG genommen wird, sind die Grundbesitzwerte grds. auf den Cent genau festzustellen. Na...