Ausgewählte Literaturhinweise:
Crezelius, Erbschaftsteuerreform 2016: Ein rechtssystematischer Überblick, ZEV 2016, 541; Hennigfeld, Keine Erbschaftsteuerpause 2016, DB 2019, 461; Schmidt/Leyh, Die eingetragene Lebenspartnerschaft im JStG 2010, NWB 2010, 4269; Wachter, Keine Steuerpause bei der Erbschaftsteuer, DB 2019, 688.
Ausgewählte Rechtsprechung:
BFH vom 20.01.2015, BFH/NV 2015, 693;
FG Hamburg vom 28.04.2017, EFG 2017, 1959.
1 Aktuelles Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht
1.1 Anwendungszeitpunkt
Rz. 1
§ 37 Abs. 1 ErbStG regelt den Anwendungszeitpunkt des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes in der jeweils aktuellen Fassung. So wurden zunächst die Änderungen aufgrund des Artikels 1 des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (ErbStRG vom 24.12.2008, BGBl I 2008, 3018) als anzuwenden auf Besteuerungszeitpunkte (s. § 9 Rn. 1) nach dem 31.12.2008 (Tag vor Inkrafttreten des ErbStRG) erklärt. Das mit dem Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (WaBeschG vom 22.12.2009, BGBl I 2009, 3950) geänderte Recht ist grds. auf Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2009 anzuwenden.
Für die Frage, welches Recht gilt, ist bei Erwerben von Todes wegen auf den Todestag und bei Schenkungen auf den Schenkungszeitpunkt abzustellen.
1.2 Aussetzung der Versteuerung gem. § 25 Abs. 1 Buchst. a ErbStG 1974
Rz. 2
Beim Erwerb von Vermögen, dessen Nutzungen einem anderen als dem Erwerber zustehen oder das mit einer Rentenverpflichtung oder mit der Verpflichtung zu einer sonstigen Leistung belastet ist, bestand bis zum 31.08.1980 die Möglichkeit, die Versteuerung bis zum Erlöschen der Belastung auszusetzen (s. § 25 Abs. 1 Buchst. a ErbStG 1974 i. V. m. § 37 Abs. 2 ErbStG).
Um die ausgesetzten Steuerfälle nicht von der Besteuerung aufgrund eines nach dem 31.08.1980 eingetretenen Wegfalls der Belastung auszuschließen, erklärt Abs. 2 weiterhin die entsprechende Vorschrift des § 25 ErbStG 1974 für anwendbar. Die Berechnung der bei Erlöschen der Belastung entstehenden Steuer erfolgt nach den Vorschriften des aktuellen ErbStG.
Rz. 3–10
vorläufig frei
1.3 Besteuerung bei Nutzungs- und Rentenlast gem. § 25 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 ErbStG 1997
Rz. 11
Beim Erwerb von Vermögen, dessen Nutzungen dem EL/Schenker bzw. dessen Ehegatten zustehen oder das mit einer Rentenverpflichtung oder mit der Verpflichtung zu einer sonstigen Leistung zugunsten dieser Personen belastet ist, wurde bis zum 31.12.2008 die darauf entfallende Steuer zinslos gestundet. Diese Stundung konnte vorzeitig mit dem Barwert abgelöst werden (§ 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.02.1997, BGBl I 1997, 378) bzw. endete bei Veräußerung des belasteten Vermögens vor dem Erlöschen der Belastung automatisch (§ 25 Abs. 2 ErbStG 1997). Um dies für die betroffenen Steuerfälle auch nach der Aufhebung des § 25 ErbStG ab dem 01.01.2009 weiterhin zu gewährleisten, wurde § 37 Abs. 2 um einen neuen Satz 2 ergänzt.
Rz. 12
Fraglich sind die Rechtsfolgen einer Schenkung, die vor 2009 zunächst nur unter dem Vorbehalt einer solchen Verpflichtung erfolgte, wenn dann der Vorbehalt ab 2009 nachträglich ausgeübt wird. Nachdem der Steuerentstehungszeitpunkt jedoch unverändert bleibt (s. § 9 Rn. 1 ff.), dürfte § 25 ErbStG weiterhin i. R.d. Änderung des Steuerbescheids zur Anwendung kommen.
Rz. 13–14
vorläufig frei
1.4 Missbrauchsklausel nach dem ErbStRG
Rz. 15
Mit Abs. 3 Satz 1 wurde die im Zuge der Erbschaftsteuerreform neu konzipierte Verschonung für BV und Anteile an KapG der §§ 13a, 13b, 19a Abs. 5 ErbStG (s. § 13a, § 13b Rn. 1 ff.) sowie die durch das WaBeschG weiter verbesserten Teilbereiche – insoweit rückwirkend – auf Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2008 ausgeweitet. Zumindest im Wortlaut nicht umfasst ist die gesetzliche Änderung von § 19a Abs. 3 ErbStG (ggf. analoge Anwendung vertretbar, s. Pahlke, in F/P/W, § 37 Rn. 15a).
Rz. 16
§ 37 Abs. 3 Satz 2 wurde in Zusammenhang mit dem ErbStRG und den neuen großzügigen Verschonungsregelungen für BV eingeführt. Ursächlich für die Kreativität des Gesetzgebers waren die nach Bekanntwerden der Pläne zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge durchgeführten Schenkungen unter gleichzeitiger Aufnahme einer Rückfallklausel aus steuerlichen Gründen.
Rz. 17
Die Verschonungsregelungen des neuen § 13a ErbStG konnten nicht angewendet werden, wenn begünstigtes Vermögen
- vor dem 01.01.2011 von Todes wegen oder durch Schenkungen unter Lebenden erworben wurde,
- bereits Gegenstand einer vor dem 01.01.2007 ausgeführten Schenkung desselben Schenkers an dieselbe Person war und
- wegen eines vertraglichen Rückforderungsrechts
- nach dem 11.11.2005 (Datum der Koalitionsvereinbarung mit Ankündigung des Erbschaftsteuer-Reformvorhabens der Großen Koalition) herausgegeben werden musste.
Hiermit sollte verhindert werden, dass begünstigt ausgeführte "Alt-Zuwendungen" aufgrund vertraglicher Widerrufs- oder Rücktrittklauseln rückabgewickelt und nach neuem (steuerlich günstigerem) Recht erneut vorgenommen wurden. Dies galt allerdings auch in den Fällen, in denen das Rückforderungsrecht bereits vor dem 11.11.2005 vereinbart wurde (demzufolge in Unkenntnis der anstehenden Gesetzeserleichterungen) und – möglicherweise aus außersteuerlichen Gründen – rückabgewickelt und vor dem 01.01.2011 erneut verschenkt ode...