Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an einen Gesellschaftsvertrag oder eine Satzung nach den Gemeinnützigkeitsvorschriften
Leitsatz (NV)
1. Eine Befreiung von der Körperschaft- und Gewerbesteuer wird aufgrund der Gemeinnützigkeitsvorschriften nur gewährt, wenn sich aus der Satzung ergibt, welchen Zweck die Körperschaft verfolgt, daß dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO 1977 entspricht und daß er ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird.
2. Dazu müssen die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, daß aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gegeben sind. Dafür genügt es, daß diese Voraussetzungen aufgrund der Auslegung der gesamten Satzungsbestimmungen als gegeben angesehen werden können.
3. Um auf die Gemeinnützigkeit des Gesellschaftszwecks schließen zu können, reicht die Verwendung des Wortes ,,gemeinnützig" allein nicht aus. Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht die Angabe, ,,zu Selbstkosten für jedermann" tätig zu werden.
Normenkette
AO 1977 § § 51 ff., §§ 52-68; KStG 1977 § 5 Abs. 1 Nr. 9; GewStG § 3 Nr. 6
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), wurde durch Vertrag vom 19. Dezember 1978 gegründet und im Juli 1979 in das Handelsregister eingetragen. Das Stammkapital (20 000 DM) übernahmen die Eheleute . . . je zur Hälfte. Diese sind auch Geschäftsführer der Gesellschaft mit Einzelvertretungsberechtigung. Gegenstand und Zweck der Gesellschaft ,,ist die Durchführung von Erd-, Feuer- und Seebestattungen nebst aller damit zusammenhängenden Lieferungen und Nebenleistungen zu Selbstkosten für jedermann". Eventuell erwirtschaftete Gewinne des Unternehmens sollen - bei Ausschluß einer anderen Verwendung - einer Rücklage für ein zu errichtendes Andachthaus zugeführt werden.
Die Klägerin erzielte im Streitjahr (1979) bei Umsätzen aus Lieferungen und Leistungen von 545 605 DM einen Gewinn von 74 884 DM, der nach dem Gesellschafterbeschluß vom 18. März 1980 der ,,Rücklage für die Errichtung eines Andachthauses zugeführt werden" sollte. Den Gesellschafter-Geschäftsführern wurden Tantiemen von 13 682,28 DM (Ehemann) und 8 209,36 DM (Ehefrau) gewährt.
Die Klägerin reichte dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) trotz besonderer Aufforderung keine Steuererklärung ein, weil sie als gemeinnützige Gesellschaft keine Steuererklärungen abzugeben habe. Das FA schätzte deshalb die Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr auf Grund der vorgelegten Bilanz zum 31. Dezember 1979 nebst Gewinn- und Verlustrechnung. Es setzte durch Steuerbescheide die Körperschaftsteuer auf 35 453 DM, den einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbetrag auf 3 165 DM und den Gesamtbetrag des verwendbaren Eigenkapitals auf 27 865 DM fest.
Einsprüche und Klage gegen diese Steuerbescheide blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1984, 84 abgedruckt.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß einen Verfahrensfehler und die Verletzung der Gemeinnützigkeitsvorschriften der Abgabenordnung (AO 1977).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Rechtsmittel war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). FA und FG haben der Klägerin im Ergebnis zu Recht eine Steuervergünstigung für die Verfolgung gemeinnütziger Zwecke versagt.
1. Die Verfahrensrüge der Klägerin greift nicht durch. Das bedarf keiner Begründung (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -).
2. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 sind von der Körperschaftsteuer befreit Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach ihrer Satzung oder ihrer sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen. Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung ergeben sich für das Streitjahr aus den §§ 51-68 AO 1977.
Für die Befreiung von der Gewerbesteuer enthält § 3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) eine entsprechende Regelung.
3. Nach Auffassung des Senats genügt der Gesellschaftsvertrag (= Satzung im Sinne der Gemeinnützigkeitsvorschriften) der Klägerin nicht den Anforderungen der §§ 59, 60 AO 1977.
1a) Nach § 59 AO 1977 wird die Steuervergünstigung nur gewährt, wenn sich aus der Satzung ergibt, welchen Zweck die Körperschaft verfolgt, daß dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52-55 AO 1977 entspricht und daß er ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird. Dazu müssen die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, daß auf Grund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung gegeben sind (§ 60 Abs. 1 AO 1977; vgl. Urteil des Senats vom 31. Oktober 1984 I R 21/81, BFHE 142, 386, 387, BStBl II 1985, 162). Es genügt, daß diese Voraussetzungen auf Grund einer Auslegung der (gesamten) Satzungsbestimmungen als gegeben angesehen werden können (vgl. Urteil des Senats vom 13. Dezember 1978 I R 39/78, BFHE 127, 330, 333, BStBl II 1979, 482).
b) Im Streitfall ist dieses - vorrangige - Haupterfordernis der sog. formellen Satzungsmäßigkeit nicht erfüllt.
Aus der Firma der Klägerin (,,. . . gemeinnützige Gesellschaft . . ."; § 1 des Gesellschaftsvertrages) kann nicht auf die Gemeinnützigkeit des Gesellschaftszwecks geschlossen werden. Die Verwendung des Wortes ,,gemeinnützig" allein reicht dazu nicht aus, zumal es in der Firma der Gesellschaft keinen unmittelbaren Bezug zu deren Zweck hat.
§ 2 des Gesellschaftsvertrages legt den ,,Gegenstand und Zweck der Gesellschaft" fest. Die Wörter ,,Durchführung von Erd-, Feuer- und Seebestattungen nebst aller damit zusammenhängenden Lieferungen und Nebenleistungen zu Selbstkosten für jedermann" lassen nicht erkennen, daß dieser Zweck gemeinnützig i. S. der § 3 52-55 AO 1977 ist: Aus der Aufzählung der verschiedenen Bestattungsarten sowie der sonst genannten Lieferungen und Nebenleistungen läßt sich nicht ableiten, ob damit den Anforderungen der angeführten Vorschriften genügt ist. Die Formulierung umschreibt vielmehr den Gegenstand des Unternehmens, wie es § 1, § 3 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) als notwendigen Inhalt (,,. . . muß . . .") für einen GmbH-Gesellschaftsvertrag erfordert. Sie bezeichnet Art und Betätigung der Gesellschaft und macht damit für die interessierten Wirtschafskreise den Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft hinreichend erkennbar (vgl. dazu Hueck in Baumbach / Hueck, GmbHG, 14. Aufl., § 3 Rdnr. 9). Die weiteren Angaben ,,zu Selbstkosten für jedermann" rechtfertigen keine andere Beurteilung. ,,Zu Selbstkosten" kann nicht - wie die Klägerin vielleicht meint - mit selbstlos i. S. des § 55 AO 1977 gleichgesetzt werden. Bei den ,,Selbstkosten" sind u. a. die Tantiemezahlungen an die beiden Gesellschafter und die in der Bilanz der Klägerin zum 31. Dezember 1979 verzeichneten Pensionsrückstellungen (sowie die entsprechende in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesene Zuführung zu dieser Rückstellung) als Aufwand berücksichtigt. Demgegenüber verlangt Selbstlosigkeit i. S. des § 55 AO 1977 nach Abs. 1 Nr. 1, daß die Mittel der Körperschaft nur für satzungsmäßige Zwecke verwendet werden dürfen. ,,Für jedermann" ist hinsichtlich der Gemeinnützigkeit neutral und spricht nicht ohne weitere (erläuternde) Zusätze für eine Förderung der Allgemeinheit i. S. des § 52 Abs. 1 AO 1977. Dazu kommt, daß nach dem eigenen Vortrag der Klägerin in der Revisionsschrift ,,Hauptzweck der Gesellschaft" ist, das ,,Bestreben, ein Andachthaus zu errichten und bereit zu halten . . . und die Durchführung der Bestattung - der in § 2 des Gesellschaftsvertrages formulierte Hauptzweck der Gesellschaft - . . . der tatsächliche Nebenzweck" ist. Das bestätigt die Auffassung des Senats, § 2 des Gesellschaftsvertrages lasse den Satzungszweck der Klägerin nicht in der Bestimmtheit erkennen, wie sie § 60 Abs. 1 AO 1977 als satzungsmäßige Voraussetzung für die Steuervergünstigung fordert.
Die Bestimmung in § 4 des Gesellschaftsvertrages, daß ,,eventuell erwirtschaftete Gewinne . . . einer Rücklage für ein zu errichtendes Andachthaus zugeführt" werden sollen, läßt ebenfalls nicht erkennen, ob und inwieweit dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52-55 AO 1977 genügt. Das Errichten und Bereithalten eines Andachthauses wird schon im Gesellschaftsvertrag der Klägerin nicht als Gegenstand und / oder Zweck der Gesellschaft angeführt.
Die Erläuterungen, die die Klägerin in ihrer Revision dazu gibt, vermögen aus der festgelegten Gewinnverwendungsvereinbarung keinen genau bestimmten Satzungszweck i. S. der §§ 59, 60 Abs. 1 AO 1977 zu machen.
Auch die Bestimmungen zur ,,Auflösung der Gesellschaft oder Wegfall ihres Zweckes" (§ 10 des Gesellschaftsvertrages: Auszahlung des Vermögens an die Gesellschafter bis zur Höhe der eingezahlten Kapitaleinlagen und der geleisteten Sacheinlagen, Überschuß an die evangelische Lutherkirchengemeinde in . . .) lassen es nicht zu, aus der vertraglichen Regelung auf einen bestimmten Zweck i. S. der §§ 59, 60 Abs. 1 AO 1977 zu schließen.
c) Schließlich ergibt eine Gesamtwürdigung aller zuvor (vgl. b) einzeln beurteilten Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages keine Anhaltspunkte dafür, daß mit dem Inhalt des Gesellschaftsvertrages die Voraussetzungen der formellen Satzungsmäßigkeit erfüllt werden.
4. Unabhängig von seiner Auffassung vom Fehlen der formellen Satzungsmäßigkeit (oben 3) hält der Senat die Erwägungen des FG in dem angefochtenen Urteil für zutreffend. Dessen tatsächliche Feststellungen sind fehlerfrei zustandegekommen; die angeführten Gründe sind frei von Rechtsirrtum und tragen und rechtfertigen die getroffene Entscheidung. Der Senat hat alledem nichts hinzuzufügen.
Fundstellen
Haufe-Index 415898 |
BFH/NV 1989, 479 |