Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein "doppeltes Satzungserfordernis" bei § 57 Abs. 3 AO. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: V R 22/23)
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Anwendung des § 57 Abs. 3 AO ist erforderlich, dass die leistungserbringende Körperschaft in ihre Satzung aufnimmt, dass sie ihre steuerbegünstigten Zwecke durch planmäßiges Zusammenwirken mit einer anderen Körperschaft, die im Übrigen die Voraussetzungen der §§ 51 bis 68 erfüllt, verwirklicht.
2. Bei der leistungsempfangenden Körperschaft bedarf es hingegen keiner Satzungsänderung dahingehend, dass auch in dieser das planmäßige Zusammenwirken mit der leistungserbringenden Körperschaft aufgenommen wird (sog. "doppeltes Satzungserfordernis").
3. § 57 Abs. 3 AO verstößt nicht gegen EU-Beihilferegelungen.
Normenkette
AO § 60a Abs. 1, § 57 Abs. 3
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Feststellung der formellen Satzungsmäßigkeit nach § 60a der Abgabenordnung (AO), insbesondere darüber, ob die Klägerin unmittelbar i.S.d. § 57 Abs. 3 AO steuerbegünstigte Zwecke verfolgt, obwohl die Satzung des Kooperationspartners keine diesbezügliche Regelung enthält.
Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom ... 2022 mit dem Zweck gegründet, Dienstleistungen im Bereich der Finanzbuchhaltung und des Rechnungswesens gegenüber der A-Stiftung (im Folgenden: Stiftung) zu erbringen (HRB XXX des Amtsgerichts B). Die Stiftung selbst, welche an der Klägerin nicht beteiligt ist, verfolgt ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke im Sinne der AO.
Nach § 2 des (geänderten) Gesellschaftsvertrages vom ... 2022 verfolgt die Klägerin gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne der AO, wobei der Satzungszweck verwirklicht wird durch planmäßiges Zusammenwirken mit der Stiftung; Letzteres wurde in dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin (§ 2 Abs. 3) ausdrücklich aufgenommen. Auszugsweise lautet der Gesellschaftsvertrag:
"§ 2 Zweck und Gegenstand der Gesellschaft
(1) Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnitts "Steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung.
(2) Zweck der Gesellschaft ist
...
...
...
(3) Der Satzungszweck wird verwirklicht durch planmäßiges Zusammenwirken mit der A-Stiftung, ..., in Form der Erbringung von Service- und Dienstleistungen im Bereich der Finanzbuchhaltung und Rechnungswesen.
§ 3 Gemeinnützigkeit
(1) Die Gesellschaft ist selbstlos tätig; sie verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.
(2) Die Mittel der Gesellschaft dürfen nur für satzungsgemäße Zwecke verwendet werden.
(3) ..."
Am 17. März 2022 erteilte der Beklagte der Klägerin zunächst einen Bescheid nach § 60a Abs. 1 AO. In diesem stellte der Beklagte fest, dass der Gesellschaftsvertrag der Klägerin in der Fassung vom ... 2022 die satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51,59 , 60 und 61 AO erfülle.
Mit Schreiben vom 22. März 2022 bat der Beklagte sodann die Stiftung, mitzuteilen, ob auch dort eine entsprechende Satzungsänderung "bezüglich der Zweckverwirklichung" durch planmäßiges Zusammenwirken beabsichtigt und ein entsprechender Entwurf bei der Stiftungsaufsicht eingereicht worden sei. Daraufhin teilte die Klägerin mit Schreiben vom 31. März 2022 mit, dass seitens der Stiftung eine Satzungsänderung bezüglich der vorgesehenen Kooperation zwischen ihr, der Klägerin, und der Stiftung nicht beabsichtigt und nach dem in diesem Zusammenhang maßgeblichen § 57 Abs. 3 AO auch nicht erforderlich sei. Zugleich bat die Klägerin um eine Bestätigung, dass die Bindungswirkung des Bescheides vom 17. März 2022 fortbestehe.
Daraufhin wies der Beklagte mit Schreiben vom 12. April 2022 unter Bezugnahme auf den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO, dort Nr. 8 zu § 57 Abs. 3 AO) darauf hin, dass in den Fällen, in denen mit anderen Körperschaften zur Verwirklichung des eigenen steuerbegünstigten Satzungszwecks zusammengewirkt werde, die Körperschaft, mit der kooperiert werde, und die Art und Weise der Kooperation in den Satzungen beider Beteiligter, hier also auch der Satzung der Stiftung, bezeichnet werden müsse.
Nachdem die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 5. Mai 2022 mitgeteilt hatte, sie verbleibe bei ihrer Rechtsauffassung, dass eine Änderung der Satzung der Stiftung rechtlich nicht erforderlich sei, und eine solche sei daher auch nicht beabsichtigt, hob der Beklagte letztlich durch Bescheid "nach § 60 Abs. 4 oder Abs. 5 AO" vom 12.Oktober 2022 den vorherigen Bescheid nach § 60a Abs. 1 AO vom 17. März 2022 mit Wirkung ab dem 17. März 2022 unter Bezugnahme auf § 60a Abs. 4 AO auf. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass entsprechend den im AEAO enthaltenen Regelungen zu § 57 AO eine Änderung der Stiftungssatzung dahingehend erforderlich sei, dass auch dort das planmäßige Zusammenwirken mit der Klägerin aufgenommen werde.
Die von der Klägerin hiergegen am 14. November 2022 bei dem Finanzgericht (FG) Hamburg erhobene Sprungklage (Az. 5 K 211/22) wurde, da der Beklagte seine Zustimmung verweigerte, n...