Tz. 1
Stand: EL 128 – ET: 08/2022
Seit 01.01.2002 müssen auch Vereine/Verbände sowie Körperschaften des öffentlichen Rechts die Bauabzugsteuer beachten. Es kommt hierbei nicht darauf an, ob die genannten Einrichtungen aus der Sicht des Umsatzsteuerrechts Kleinunternehmer sind oder zur Umsatzsteuer optiert haben (Versteuerung nach allgemeinen Regeln des Umsatzsteuergesetzes).
Die neue gesetzliche Regelung greift in den Fällen, wenn typische Handwerkerleistungen von Bauunternehmen oder Handwerksbetrieben zur Erstellung bzw. Erhaltung von Bausubstanz erbracht werden. Hintergrund der Bauabzugsteuer ist die Vermeidung von Steuerhinterziehungen "auf dem Bau". So hat der Gesetzgeber darauf reagiert, dass Handwerker und Baufirmen (verschiedentlich) die ihnen gezahlten Entgelte für erbrachte Bauleistungen nicht versteuert haben. Mit der Bauabzugsteuer wird der den Handwerker Beauftragende (Auftraggeber) zum Schuldner dieser Steuer, d. h. der Beauftragende behält die Steuer letztlich für den Handwerker ein und muss nur ein um die Steuer gemindertes Entgelt an den Handwerker bzw. die Baufirma zahlen. Die Bauabzugsteuer ist ähnlich wie die Lohnsteuer eine sog. Entrichtungssteuer. Kommt der Auftraggeber dieser Verpflichtung nicht nach und zahlt er den vollen Betrag aus, kann er von der Finanzverwaltung gleichwohl für die an sich einzubehaltende Steuer in Anspruch genommen werden. Er haftet letztlich für die Einbehaltung der Steuer. Im Ergebnis zahlt der Auftraggeber die Steuer somit zweimal:
- Einmal hat er diese an den Handwerker (fehlerhaft) ausgezahlt,
- zum anderen wird er von der Finanzverwaltung (z. B. im Rahmen einer Betriebsprüfung) in Anspruch genommen, zahlt also den gleichen Betrag noch einmal (zzgl. seit Entstehung des Anspruchs angefallener Zinsen). Vorgenanntes gilt jedoch nur, wenn der Auftraggeber ein Unternehmer i. S. d. Umsatzsteuergesetzes oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist.
Tz. 2
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Die gesetzlichen Grundlagen befinden sich in den §§ 48–48d EStG und werden durch § 20a AO (Anhang 1b) ergänzt. Vgl. auch Ergänzungen durch das Schreiben des BMF vom 01.11.2001, AZ: IV A 5 -S 1900–292/01, BStBl I 2001, 804, welches durch das Schreiben des . BMF vom 27.12.2002, BStBl I 2002, 1399 ersetzt wurde. Gleichwohl wird nachfolgend auf erhellende Ausführungen des früheren Schreibens des BMF aus 2001 verwiesen. Die Bauabzugsteuer ist auch mit dem EU-Recht vereinbar, weil die dadurch verursachte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit unter dem Gesichtspunkt der Effizienz der Steuerbeitreibung gerechtfertigt ist, siehe Urteil des BFH I R 46/17 vom 07.11.2019, DStR 2020, 1560.
Tz. 3
Stand: EL 128 – ET: 08/2022
Die Nichtbeachtung der Bauabzugsteuer kann bei Vereinen/Verbänden zu Haftungsrisiken führen. Eine persönliche Haftung der Vorstände/Präsidien kann nicht ausgeschlossen werden. Schließlich besteht stets das Risiko, dass die Finanzverwaltung in der Nichteinhaltung der Regelungen zur Bauabzugsteuer – Nichteinbehaltung der Steuer bzw. unterlassener Überprüfung der Freistellungsbescheinigung – eine fehlerhafte tatsächliche Geschäftsführung sieht, die zum Verlust der Gemeinnützigkeit führen kann. In solchen Situationen sollte stets dahin argumentiert werden, dass die Bauabzugsteuer nichts mit der steuerbegünstigten Tätigkeit des Vereins zu tun hat und Verstöße daher für die Gemeinnützigkeit belanglos sind. Allerdings könnte sich die Finanzverwaltung auf den Grundsatz berufen, dass ein gemeinnütziger Verein grundsätzlich die gesamte Rechtsordnung befolgen müsse. Verstöße gegen die Vorschriften der Bauabzugsteuer könnten sich hiernach negativ für den Gemeinnützigkeitsstatus auswirken.