Die Verschmelzung von gGmbH wirft vielfältige gemeinnützigkeitsrechtliche Probleme auf. Im Einzelnen stellen sich folgende Fragen:
- Vereinbarkeit der Verschmelzung mit der satzungsmäßigen Vermögensbindung der Übertragerin?
- Vermögensübergang als Verstoß gegen § 58 Nr. 2 AO (Anhang 1b)?
- Zulässiges Ausmaß der Anteilsgewährung an die Anteilsinhaber der Übertragerin?
- Erfordernis von Satzungsänderungen bei der Übernehmerin hinsichtlich der Zwecke und Zweckverwirklichungsmaßnahmen?
- Veränderte gemeinnützigkeitsrechtliche Beurteilung einzelner Tätigkeitsbereiche aufgrund der Verschmelzung?
1.3.1.1 Bedeutung der satzungsmäßigen Vermögensbindung (§ 61 AO) der Übertragerin
Tz. 6
Stand: EL 116 – ET: 04/2020
Die Verschmelzung auf eine ebenfalls gemeinnützige Körperschaft (z. B. GmbH, AG, Genossenschaft) setzt gemeinnützigkeitsrechtlich voraus, dass die satzungsmäßige Vermögensbindung (s. § 61 Abs. 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO, Anhang 1b) der Übertragerin der Verschmelzung nicht entgegensteht.
Die satzungsmäßige Vermögensbindung steht der Verschmelzung dann nicht entgegen, wenn
- entweder die vorgesehene Übernehmerin in der Satzung der Übertragerin schon als Vermögensempfänger vorgesehen ist (s. Anhang 13) oder
- die Satzung die Vermögensverwendung für einen bestimmten steuerbegünstigten Zweck vorschreibt (s. Anhang 13), z. B. Förderung kultureller Zwecke – und die vorgesehene Übernehmerin diesen bestimmten steuerbegünstigten Zweck ebenfalls verfolgt.
Tz. 7
Stand: EL 116 – ET: 04/2020
Aber: die satzungsmäßige Vermögensbindung steht der Verschmelzung entgegen, wenn
- entweder bisher eine andere Körperschaft als die vorgesehene Übernehmerin als Vermögensempfänger vorgesehen ist oder
- die Verwendung des Vermögens für einen bestimmten steuerbegünstigten Zweck vorgesehen ist (z. B. Förderung kultureller Zwecke) und die vorgesehene Übernehmerin einen anderen steuerbegünstigten Zweck verfolgt.
In derartigen Fällen ist es m. E. erforderlich, noch vor der Verschmelzung (ggf. i. R.d. Verschmelzungsbeschlusses) die Satzung dahingehend zu ändern, dass die vorgesehene Übernehmerin auch ausdrücklich als Vermögensempfängerin benannt wird. Im Ergebnis entspricht dies der Anwendung des § 58 Nr. 1 AO (Anhang 1b). Auch in diesem Fall muss die Vermögensübertragung im Vorfeld satzungsmäßig verankert werden (ebenso s. Raupach/Böckstiegel, FS Widmann, Stollfuß-Vlg, 476, 477). Empfehlenswert dürfte auch in einem derartigen Fall die vorherige Abstimmung mit dem zuständigen FA sein (auch, um u. U. einen Verzicht des FA auf eine derartige Änderung der satzungsmäßigen Vermögensbindung zu erreichen; s. Raupach/Böckstiegel, a. a. O., Fn. 53; s. Widmann, in W/M, § 11 UmwStG Rn. 400). Die "Abstimmung" mit der Finanzverwaltung kann durch eine verbindliche Auskunft bzw. im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung erfolgen.
1.3.1.2 Vermögensübergang im Rahmen der Verschmelzung als Verstoß gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung
Tz. 8
Stand: EL 116 – ET: 04/2020
Es stellt sich die Frage, ob ein Vermögensübergang i. R.d. Verschmelzung als Verstoß gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung anzusehen ist. Hierbei sind folgende Fälle zu unterscheiden:
- Verstoß gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung durch die übernehmende Körperschaft
Verstößt nach einer Verschmelzung die übernehmende Körperschaft gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung im Hinblick auf das übergegangene Vermögen, muss m. E. § 61 Abs. 3 AO (Anhang 1b) auch auf den Zeitraum zurückwirken, in dem die übertragende Körperschaft noch bestand. Zwar entsteht die Verpflichtung, die Vermögensbindung einzuhalten, aufgrund der Satzung der übernehmenden Körperschaft. Aber: Das Vermögen ging im Wege der Gesamtrechtsnachfolge über und der übertragende Rechtsträger besteht im neuen Rechtsträger weiter. D.h. für die übernehmende Gesellschaft gilt infolge der Gesamtrechtsnachfolge hinsichtlich des übernommenen Vermögens auch § 61 Abs. 3 Satz 2 AO (Anhang 1b). Die Zehnjahresfrist des § 61 Abs. 3 Satz 2 AO (Anhang 1b) wirkt also auch auf die Jahre zurück, in denen noch die übertragende Körperschaft bestand. Ansonsten könnten die satzungsmäßigen Bindungen leicht umgangen werden, indem man die Bestimmungen über die Vermögensbindung bei der übernehmenden Körperschaft sofort nach der Verschmelzung aufhebt. In diesem Fall würde die Rückwirkung des § 61 Abs. 3 AO (Anhang 1b) nur bis zum Zeitpunkt der Verschmelzung zurückreichen.
- Verstoß gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung durch die übertragende Körperschaft
Im umgekehrten Fall, in dem nach einer Verschmelzung festgestellt wird, dass die übertragende Körperschaft in der Vergangenheit gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung verstoßen hat, tritt der übernehmende Rechtsträger nach § 12 Abs. 3 UmwStG in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein. Dies hat m. E. zur Folge, dass die übernehmende Körperschaft die steuerlichen Konsequenzen dieses Verstoßes zu tragen hat. Dies lässt sich m. E. dadurch lösen, indem man die übernehmende Körperschaft bezüglich der satzungsmäßigen Vermögensbindung in die Rechtsnachfolge der übertragenden Körperschaft eintreten lässt. In diesem Fall hat die übernehmende Körperschaft die rückwirkend entstehende Steuer zu begleichen.