Stand: EL 137 – ET: 06/2024
Der Vertrieb von Waren aus der Dritten Welt kann nicht in den Tätigkeitsbereich der steuerbegünstigten Zweckbetriebe i. S. v. § 65 AO (Anhang 1b) zugeordnet werden. Das hat seinen Grund in der allgemeinen Wettbewerbsklausel des § 65 Nr. 3 AO, da der Wettbewerb zu anderen, steuerpflichtigen Unternehmern (Importeuren) nicht unvermeidbar ist (§ 65 Nr. 3 AO, Anhang 1b). Für diese Einordnung ist es auch ohne Bedeutung, dass die den Dritte-Welt-Laden betreibende Körperschaft in diesen (bzw. inzwischen auch als "Eine-Welt-Läden" bezeichnet, hierzu s. "Eine-Welt-Läden") die Waren unmittelbar aus einem Entwicklungsland oder von der Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt mbH (Gepa) in Wuppertal bezieht.
Einnahmen, die in Dritte-Welt-Läden erzielt werden, sind daher dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen. D.h., es werden Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Eine Steuerpflicht wird aber im Wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nur dann ausgelöst, wenn die Bruttoeinnahmen (also Einnahmen zzgl. Umsatzsteuer) die Besteuerungsgrenze von 45 000 EUR – bis zum Veranlagungszeitraum 2019: 35 000 EUR (s. § 64 Abs. 3 AO, Anhang 1b) überschreiten. Es handelt sich bei diesem Betrag um eine sog. Freigrenze. Wird dieser Betrag der Einnahmen (nicht der Gewinne) überschritten, unterfällt der Gewinn ab dem ersten Euro der Körperschaft- und der Gewerbesteuer. Es findet bereits ab dem ersten Euro der reguläre Umsatzsteuersatz Anwendung. Allerdings gilt die Kleinunternehmerregelung, wonach Umsätze bis 22 000 EUR keine Umsatzsteuer auslösen (s. § 19 UStG). Die Entgelte sind für Zwecke der Umsatzsteuer mit dem Regelsatz von derzeit 19 % (s. § 12 Abs. 1 UStG, Anhang 5) zu versteuern.
Das FG Baden-Württemberg hat im Urteil vom 11.02.1998, EFG 1998, 846, folgende Entscheidung getroffen:
Unterhält eine steuerbegünstigten Zwecken dienende Körperschaft eine Verkaufsstelle für Dritte-Welt-Produkte und erbringt sie Dienstleistungen, sind derartige Erlöse in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der nicht die Voraussetzungen eines Zweckbetriebes erfüllt (s. § 65 AO, Anhang 1b) zu erfassen. Es wird u. U. Ertragsteuerpflicht ausgelöst. Umsatzsteuerlich sind die Entgelte mit 19 % (s. § 12 Abs. 1 UStG, Anhang 5) zu versteuern, sofern es sich um Lieferungen handelt, die nicht ermäßigt besteuerte Waren betreffen.
Die Lieferung von Tee, Kaffee usw. unterliegt dem ermäßigten Steuersatz von 7 % (s. § 12 Abs. 2 UStG, Anhang 5). Ein Zweckbetrieb i. S. v. § 65 AO (s. Anhang 1b) wurde nicht anerkannt, weil der Wettbewerbsgedanke zu nicht begünstigten Unternehmern nicht ausgeschlossen werden konnte. Gegen das FG-Urteil wurde Revision eingelegt. Das FG-Urteil ist inzwischen rechtskräftig, weil die Revision zurückgenommen wurde.
S. "Eine-Welt-Läden".
Hinweis:
Wird der Dritte-Welt-Laden als Verein betrieben, stellt der Verkauf der Waren gleichwohl einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar. Ist der Verein gemeinnützig, weil er daneben einen steuerbegünstigten Zweck verfolgt, muss darauf geachtet werden, dass der Verkauf der Produkte gegenüber der Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks in den Hintergrund tritt bzw. sich Letzterem unterordnet. Passiert das nicht – d. h. der Verkauf tritt als gleichwertig neben die Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks – stellt das einen Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsprinzips des § 56 AO dar, der zum Verlust der Gemeinnützigkeit des Vereins führt. Die Finanzverwaltung beurteilt die Unterordnung weiterhin nach dem jeweiligen Ressourceneinsatz in den verschiedenen Bereichen (Personal, Finanzmittel usw.).