Dipl.-Finanzwirt (FH) Andreas Kümpel
I. Allgemeines
Tz. 1
Stand: EL 125 – ET: 02/2022
Der zutreffende Umgang mit den vorhandenen Mitteln ist für die Vorstände/Geschäftsführer von steuerbegünstigten Einrichtungen eine der Anforderungen, die eine steuerbegünstigte Einrichtung im Rahmen der tatsächlichen Geschäftsführung (§ 63 AO, Anhang 1b) zu erfüllen hat. So müssen die Mittel ausschließlich und unmittelbar für die satzungsmäßigen steuerbegünstigten Zwecke verwendet werden. Mitglieder dürfen keine Ausschüttungen und auch kein fremder Dritter darf eine unverhältnismäßig hohe Vergütung erhalten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 3 AO; Anhang 1b).
Auch müssen steuerbegünstige (gemeinnützige) Einrichtungen ihre Mittel zeitnah für ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwenden (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 AO, Anhang 1b).
Zu den Mitteln einer steuerbegünstigten Einrichtung zählen dabei nicht nur die zugeflossenen Spenden, Beiträge und die Erträge aus ihrem Vermögen und die Gewinne ihrer Zweckbetriebe und der steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe, sondern sämtliche Vermögenswerte der Einrichtung (BFH vom 15.07.1998, I R 156/94, BStBl II 2002, 162).
Eine zeitnahe Mittelverwendung ist gegeben, wenn die in einem Kalenderjahr zugeflossenen Mittel, spätestens in den auf das Zuflussjahr folgenden zwei Kalender- bzw. Wirtschaftsjahren verwendet werden (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 AO, Anhang 1b).
Praxis-Beispiel:
Der gemeinnützige A-Umweltschutz e. V. hat in 2020 einen Mittelzufluss (Spenden und Beiträge) von 65 000 EUR.
Um das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung zu erfüllen, muss er diese Mittel bis spätestens Ende 2022 für seine satzungsmäßigen steuerbegünstigten Zwecke verwenden.
Bis einschließlich 2012 mussten die zeitnah zu verwendenden Mittel bereits im auf dem Zufluss folgenden Kalenderjahr verwendet werden. Diese Frist wurde mit Wirkung ab dem 01.01.2013 auf zwei Jahre verlängert und gilt für alle Mittel, die nach dem 31.12.2011 vereinnahmt wurden (AEAO zu § 55 AO TZ 29, Anhang 2).
Tz. 2
Stand: EL 125 – ET: 02/2022
Verwendung von Mitteln bedeutet nicht nur, dass Mittel für die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke ausgegeben werden, eine Verwendung liegt auch vor, wenn die Mittel für die Anschaffung und Herstellung von Vermögensgegenständen verwendet werden, die den steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecken dienen (z. B. Kauf von Sportgeräten; Investition in das Seminargebäude etc.).
Die Errichtung eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (z. B. Vereinsgaststätte) aus zeitnah zu verwendenden Mitteln ist nicht zulässig. So ist die Unterhaltung eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs kein steuerbegünstigter Zweck, dieser soll lediglich der Mittelbeschaffung dienen. Entsprechendes gilt für die Vermögensverwaltung. Zwar ist die Vermögensverwaltung bei einer steuerbegünstigten Einrichtung steuerbefreit (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG, Anhang 3), gleichwohl wird mit der Vermögensverwaltung keine steuerbegünstigte Tätigkeit ausgeübt, die durch den Einsatz zeitnah zu verwendender Mittel gefördert werden darf. Daher ist die Anschaffung von Vermögenswerten (z. B. Kauf eines Mietwohngrundstücks) ohne Bezug zum steuerbegünstigten Zweck, nicht aus zeitnah zu verwendenden Mitteln zulässig.
II. Zeitnah zu verwendende Mittel und gebundenes Vermögen
Tz. 3
Stand: EL 125 – ET: 02/2022
Grundsätzlich unterliegen alle Mittel einer steuerbegünstigten Einrichtung dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung.
Von diesem Grundsatz gibt es jedoch Ausnahmen.
So gibt es neben den zeitnah zu verwendenden Mitteln auch Mittel, die nicht zeitnah zu verwenden sind, die eine steuerbegünstigte Körperschaft dauerhaft thesaurieren kann (sog. "zulässiges Vermögen" bzw. "gebundenes Vermögen").
Da das gebundene Vermögen nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung unterliegt, kann eine steuerbegünstigte Einrichtung mit diesen Mitteln ihre Vermögensverwaltung (z. B. Erwerb von Wertpapieren, Mietwohngrundstücke etc.) ausstatten oder damit steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe errichten.
Tz. 4
Stand: EL 125 – ET: 02/2022
Folgende Mittel unterliegen nach § 62 Abs. 3 AO (Anhang 1b) nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung, zählen also zum gebundenen Vermögen:
- Zuwendungen von Todes wegen (Vermächtnisse, Erbschaften), wenn der Erblasser keine zeitnahe Mittelverwendung vorgesehen hat (§ 62 Abs. 3 Nr. 1 AO, Anhang 1b);
- Zuwendungen (Spenden) mit der Auflage, dass diese zum Vermögensaufbau verwendet werden dürfen (§ 62 Abs. 3 Nr. 2 AO, Anhang 1b);
- Zuwendungen (Spenden), bei denen der Spender aufgrund eines besonderen Spendenaufrufs durch die Körperschaft erkennen kann, dass diese Zuwendung zum Vermögensaufbau bestimmt ist (§ 62 Abs. 3 Nr. 3 AO, Anhang 1b);
- Sachzuwendungen, die ihrer Natur nach zum Vermögen gehören (§ 62 Abs. 3 Nr. 4 AO, Anhang 1b).
Daneben gehören noch die Mittel der "freien Rücklage" (§ 62 Abs. 1 Nr. 3 AO, Anhang 1b) sowie (in der Regel) das Stammkapital einer steuerbegünstigten Kapitalgesellschaft bzw. die Vermögensausstattung einer Stiftung zu den nicht zeitnah zu verwendenden Mitteln.
Bei steuerbegünstigten ...