3.1 Definition
Tz. 15
Stand: EL 127 – ET: 06/2022
Erste Tätigkeitsstätte ist nach der gesetzlichen Definition des § 9 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG (Anhang 10) die ortsfeste betriebliche Einrichtung
- des Arbeitgebers,
- eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder
- eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten,
der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.
Diese Zuordnung wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen durch den Arbeitgeber bestimmt. Sind solche nicht vorhanden oder sind die getroffenen Festlegungen nicht eindeutig, werden hilfsweise quantitative Kriterien herangezogen. Voraussetzung ist außerdem, dass der Arbeitnehmer in einer der zitierten ortsfesten Einrichtungen dauerhaft tätig werden soll (s. § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG, Anhang 10).
3.2 Ortsfeste betriebliche Einrichtung
Tz. 16
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Tätigkeitsstätte ist eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers. Fahrzeuge, Flugzeuge, Schiffe oder Tätigkeitsgebiete ohne ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind keine Tätigkeitsstätten i. S. d. § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG, Anhang 10 (s. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 Rz. 3).
Beachte!
- Das häusliche Arbeitszimmer des Arbeitnehmers ist keine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers oder eines Dritten und kann auch zukünftig keine erste Tätigkeitsstätte sein.
- Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer einen oder mehrere Arbeitsräume anmietet, die der Wohnung des Arbeitnehmers zuzurechnen sind. Zur Abgrenzung, welche Räume der Wohnung des Arbeitnehmers zuzurechnen sind, ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall abzustellen (z. B. unmittelbare Nähe zu den privaten Wohnräumen).
Tz. 17
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Seit 2014 kann eine ortsfeste betriebliche Einrichtung nicht nur beim lohnsteuerlichen Arbeitgeber (hier: der steuerbegünstigten Zwecken dienenden Körperschaft) vorliegen, sondern auch bei einem Dritten (z. B. einem Kunden) oder einem verbundenen Unternehmen (§ 15 AktG). Allerdings bestimmt § 9 Abs. 4 Satz 5 EStG (Anhang 10), dass ein Arbeitnehmer je Dienstverhältnis höchstens eine erste Tätigkeitsstätte haben kann (s. § 9 Abs. 4 Satz 5 EStG, Anhang 1 und BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 Rz. 30)
3.3 Arbeitsrechtliche Festlegungen
3.3.1 Arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung
Tz. 18
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Ob für einen Arbeitnehmer eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt oder nicht, muss der Arbeitgeber insbesondere anhand der dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen bestimmen.
Beachte!
- Derartige arbeitsrechtlichen Festlegungen können schriftlich oder mündlich getroffen werden.
- Schriftliche Festlegungen (insbesondere im Arbeitsvertrag) haben den Vorteil, dass sie sich unproblematisch nachweisen lassen.
- Die arbeitsvertragliche Festlegung allein genügt noch nicht, der Arbeitnehmer muss auch entsprechend der Festlegung – zumindest geringfügig – dort zum Einsatz kommen.
Tz. 19
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Soll der Arbeitnehmer an mehreren Tätigkeitsstätten tätig werden und ist er einer bestimmten Tätigkeitsstätte dienst- oder arbeitsrechtlich dauerhaft zugeordnet, ist es unerheblich, in welchem Umfang er seine berufliche Tätigkeit an dieser oder an den anderen Tätigkeitsstätten ausüben soll. Auch auf die Regelmäßigkeit des Aufsuchens dieser Tätigkeitsstätten kommt es dann nicht mehr an (s. BMF vom 30.09.2013, BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 Rz. 8).
Tz. 20
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Beispiel 1:
Arbeitnehmer A einer steuerbegünstigten Zwecken dienenden Körperschaft ist
- einen Tag in der Geschäftsstelle der steuerbegünstigten Körperschaft in X hauptsächlich zu Dienstbesprechungen,
- zwei Tage in der Betriebsstätte Y und
- zwei Tage in der Betriebsstätte Z
beschäftigt, deren Leiter er ist. Arbeitsvertraglich ist er der Geschäftsstelle X zugeordnet.
Ergebnis 1:
Arbeitnehmer A der steuerbegünstigten Zwecken dienenden Körperschaft hat seine erste Tätigkeitsstätte in der Geschäftsstelle X (aufgrund der arbeitsrechtlichen Zuordnung, auch wenn er dort nur einen Tag tätig ist). Zu den steuerlichen Auswirkungen einer Tätigkeit an einer ersten Tätigkeitsstätte s. Tz. 13.
An den Tagen, an denen er als Leiter der Betriebsstätten Y und Z zu diesen Betriebsstätten fährt, liegen für ihn Auswärtstätigkeiten (Reisekosten) vor. Zu den steuerlichen Auswirkungen s. Tz. 14.
3.3.2 Keine Negativfestlegung
Tz. 21
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Die gesetzliche Vorschrift des § 9 Abs. 4 Satz 1–3 EStG (Anhang 10) sieht die Möglichkeit einer Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers zu einer bestimmten Tätigkeitsstätte vor.
Der Arbeitgeber kann dienst- oder arbeitsrechtlich daher nicht festlegen, dass der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte hat (Negativfestlegung).
Tz. 22
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Er kann allerdings (ggf. auch ausdrücklich) darauf verzichten, eine erste Tätigkeitsstätte dienst- oder arbeitsrechtlich festzulegen, oder ausdrücklich erklären, dass organisatorische Zuordnungen keine erste Tätigkeitsstätte begründen sollen (s. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 Rz. 13).
Tz. 23
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Beispiel 2:
Abwandlung von Beispiel 1 (s. Tz. 20): Arbeitnehmer A der ste...