Stand: EL 116 – ET: 04/2020
Der Begriff der "religiösen Zwecke" ist umfassender als der der "kirchlichen Zwecke" (s. "Kirchliche Zwecke"). Religiöse Zwecke sind nicht auf die Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts beschränkt. Religiöse Zwecke werden verfolgt, wenn sie sich mit dem Verhältnis des Menschen zu der Idee der Gottheit befassen, ohne dass hier eine Beschränkung auf die christliche Religion erfolgt. Eine Förderung der Religion ist nämlich auch dann gegeben, wenn es sich um nicht christliche Religionen handelt (BFH vom 31.10.1963, BStBl III 1964, 83). Voraussetzung ist aber, dass von diesen religiösen Bestrebungen eine Förderung der Allgemeinheit ausgeht (Augsten, Steuerrecht in Nonprofit-Organisationen, Tz. 2.1.2). Der BFH hat im Urteil vom 23.09.1999 (BStBl II 2000, 533) die Religion als Frage nach Gott, nach der Deutung der Welt, nach Lebenssinn und nach Normen christlichen Handelns definiert. Die Bedeutung ist auch im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit des Art. 4 GG zu sehen, die den Staat zur Neutralität in religiösen Angelegenheiten verpflichtet. Art. 4 Abs. 1 GG spricht von der Freiheit des religiösen und des weltanschaulichen Bekenntnisses, sodass dieser Gleichstellung auch bei der Auslegung der religiösen Zwecke Rechnung zu tragen ist, wobei der Weltanschauung eine Ergänzungsfunktion zukommt, deren Grund und Ziel eine sinnstiftende Überzeugung im umfassenden Sinne ist. In der Regel wird auf das Selbstverständnis der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften abgestellt (Hüttemann, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, Tz. 3.90).
Unter dem Begriff der religiösen Zwecke sind die Weltreligionen zu erfassen (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO, § 52 Rn. 20). Nicht darunter fallen aber Bestrebungen zur Förderung der Astrologie (FG Schleswig-Holstein vom 22.03.1996, EFG 1996, 940), Esoterik (FG Baden-Württemberg vom 04.02.1988, EFG 1988, 270). An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass das Urteil des FG München vom 29.02.1996 (EFG 1996, 38), in dem die Gemeinnützigkeit abgelehnt wurde, für eine Körperschaft gefällt wurde, die ein religiöses Lebens der Vollkommnung i. S. des Werkes der heiligen Engel in der römisch-katholischen Kirche anstrebte. Ebenso hat das FG Nürnberg im Urteil vom 29.08.2000 (EFG 2000, 1351) die Gemeinnützigkeit nicht anerkannt bei einer Körperschaft, die satzungsgemäß auf die Lehren Jesu-Christi und des heiligen Franz von Assisi Bezug nahm. Die OFD Magdeburg hat in ihrer Verfügung vom 06.08.2001 (DB 2001, 1968) ausgeführt, dass der bloße satzungsmäßige Verweis auf die Lehren Jesu-Christi aufgrund des Entstehens verfolgter Zwecke auf dessen Lehre das Satzungsziel nicht klar differenziere.
Die religiösen Ziele und die Art der Religionsausübung dürfen zudem der abendländischen Kulturauffassung nicht zuwiderlaufen (BFH vom 09.06.1951, BStBl III 1951, 146; OFD Frankfurt vom 04.07.1994, DB 1994, 1956). So hat der BFH im Urteil vom 31.05.2005 (BFH NV 2005, 1751) die Förderung der Religion bei einer Religionsgemeinschaft, deren Mitglieder sich im stetigen Lebenskampf sahen, abgelehnt. Eine gegen die BFH-Entscheidung eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23.02.2006, StED 2006, 179). Bei religiösen Zwecken ist stets erforderlich, dass eine genaue satzungsmäßige Festlegung sowohl der Zielsetzung als auch der Zweckverwirklichung vorliegt, dies gilt umso mehr, soweit die Religion unterschiedliche Richtungen und Strebungen aufweist (Alber, Gemeinnützigkeit im Ertragsteuerrecht, Teil I Tz. 35).
Der BFH hat im Urteil vom 13.08.1986 (BStBl II 1986, 138) entschieden, dass die verfassungsrechtlich geschützte Religionsfreiheit auch Äußerungen zu Fragen des religiösen und weltanschaulichen Lebens umfasst. Bedeutend in diesem Zusammenhang ist aber auch der Beschluss des BFH vom 16.10.1991 (BFH NV 1992, 505), in dem der BFH entschieden hat, dass eine Versagung der Anerkennung der Gemeinnützigkeit die Grundrechte des Art. 4 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 3 GG nicht berührt, da es sich dabei um Abwehrrechte handelt, die nicht eine Teilnahme an bestimmten steuerlichen Privilegien berühren (Alber, Gemeinnützigkeit im Ertragsteuerrecht, Teil I Tz. 35).
Bei der Förderung der religiösen Zwecke dürfen extremistische Bestrebungen nicht zu den Zielen der Organisation gehören (BFH vom 11.04.2012, BStBl II 2013, 146).
Zur Frage der Einheit von Satzungszweck und Geschäftsbetrieb z. b. im religiösen Medienbereich, hat der BFH mit Urteil vom 13.11.1988 (BStBl II 1989, 391) entschieden, dass ein Verein, dessen Zweck es war Probleme des Friedens und Unfriedens begleitend durch Veranstaltungen in der Öffentlichkeit bewusst zu machen, seinen Zweck auch nur durch die Herausgabe von Schriften verwirklichen kann.
Literatur:
Alber, Gemeinnützigkeit im Ertragsteuerrecht, Stuttgart 2018; Augsten, Steuerrecht in Nonprofit-Organisationen, 2. Aufl., Wiesbaden 2015; Hüttemann, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 4. Aufl., Köln 2018; Tipke/Kruse, AO Loseblatt, Stand: ...