Tz. 17
Stand: EL 140 – ET: 12/2024
Wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, handelt ordnungswidrig. Das gilt aber nur dann, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre (§ 130 Abs. 1 OWiG).
Hinweis:
Mit den Tatbeständen der §§ 30, 130 OWiG werden die sog. Fälle des Organisationsverschuldens als Ordnungswidrigkeit geahndet, d. h., sobald es zu festgestellten Gesetzesverstößen kommt und die Strafverfolgungsbehörden feststellen, dass die Organisationsstruktur des Vereins oder der gemeinnützigen Körperschaft nicht ausreichend ist, kann ein entsprechender Vorwurf des Organisationsverschuldens formuliert werden. In der Praxis ist man überrascht, was seitens der Ermittler alles als verbesserungsfähig erachtet werden kann. Die Normen stellen in der Praxis das Haupteinfallstor für die Ahndung des Nichtvorhandenseins sogenannter Compliance-Strukturen dar.
Tz. 18
Stand: EL 140 – ET: 12/2024
Nach § 130 Abs. 2 OWiG werden öffentliche Unternehmen den privaten gleichgestellt. Hiermit sollen alle Organisationsformen der öffentlichen Verwaltung erfasst werden, mit denen diese am Wirtschaftsleben aktiv teilnimmt. Die Norm stellt ausschließlich ein Unterlassungsdelikt dar und ahndet das Unterlassen von Aufsichtsmaßnahmen. Hierzu ist es erforderlich, dass der Betrieb einer Person ihr obliegende Pflichten überträgt. Hierbei gilt die Norm für jedwede Verletzung von Aufsichtspflichten, s. Niesler in Graf/Jäger/Wittig, § 130 OWiG Rn. 27. Für den Betriebsinhaber oder denjenigen, dem die Wahrnehmung der Aufsichtspflicht übertragen wurde, besteht die Pflicht, die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen zu ergreifen, um seiner Aufsichtspflicht nachzukommen. Hierzu zählen die Auswahl geeigneter Mitarbeiter, die Überwachung derselben durch geeignete Maßnahmen (z. B. Stichproben), die Vornahme von Schulungsmaßnahmen usw., s. hierzu Niesler in Graf/Jäger/Wittig, § 130 OWiG Rn. 32ff.
Tz. 19
Stand: EL 140 – ET: 12/2024
Die Verletzung der Aufsichtspflicht ist sowohl in vorsätzlicher als auch in fahrlässiger Begehungsweise möglich. Für den subjektiven Tatbestand gelten die allgemeinen Grundsätze. Der Vorwurf fahrlässigen Verhaltens erfordert den Verstoß gegen Sorgfaltspflichten. Maßstab ist hierbei diejenige Sorgfalt, die von einem ordentlichen Angehörigen des jeweiligen Tätigkeitsbereichs verlangt werden kann, um die Verletzung solcher Pflichten zu verhindern, s. Niesler in Graf/Jäger/Wittig, § 130 OWiG Rn. 68ff.
Tz. 20
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Tauglicher Tätiger sind alle Betriebsangehörigen, worunter auch freie Mitarbeiter und Leiharbeiter fallen. Der Dritte muss tatsächlich für den Betriebsinhaber tätig sein. Es reicht aus, wenn der Dritte bei der Wahrnehmung von Betriebsangelegenheiten eine dem Inhaber obliegende Pflicht verletzt; hierbei reicht es aus, dass der Handelnde lediglich vorübergehend mit Aufgaben des Betriebes betraut ist, s. Niesler in Graf/Jäger/Wittig, § 130 OWiG Rn. 58f.
Tz. 21
Stand: EL 140 – ET: 12/2024
Bei der Verletzung der Aufsichtspflicht handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße geahndet wird (§ 130 Abs. 3 OWiG). Die Höhe der Geldbuße bestimmt sich hierbei nach den allgemeinen Regeln, d. h. es kommt auf die Schwere und das Ausmaß der Aufsichtspflichtverletzung sowie auf den Grad der Vorwerfbarkeit an. Ist die Pflichtverletzung mit Strafe bedroht, kann die vorsätzliche Aufsichtspflichtverletzung mit einer Geldbuße von bis zu 1 000 000 EUR geahndet werden, s. Niesler in Graf/Jäger/Wittig, § 130 OWiG Rn. 71f.